Der Präsident des Rechnungshofs steht vor dem Rechnungshof und hält die Bemerkungen 2020 in die Kamera.

Hessischer Rechnungshof

Haushalt(en) in der Krise

Präsident Dr. Walter Wallmann stellte heute den jährlichen Bericht des Hessischen Rechnungshofs, die Bemerkungen 2020, vor: „Auch wenn der aktuelle Krieg in Europa alle anderen Fragen überlagert, zeigen die Diskussionen um die Sondervermögen von Bund und Land, dass alle politisch notwendigen Maßnahmen umfangreiche Finanzmittel voraussetzen. Hierfür ist es vor allem notwendig, bestehende Ausgaben zu überprüfen und klare Prioritäten zu setzen. Unsere Aufgabe als Rechnungshof ist es, den Fokus auf die finanzielle Seite zu legen und Vorschläge für einen gezielten und wirksameren Mitteleinsatz zu entwickeln.

Wir stellen in unserem diesjährigen Bericht Optimierungsmöglichkeiten beispielsweise für die Wachpolizei, die Veterinärverwaltung, die Studierendenwerke und die Digitalisierung der Verwaltung vor.“

Wie haben sich die Staatsfinanzen in der Pandemie entwickelt?

Wallmann schickt voraus: „Das Jahr 2020 stand unter dem Zeichen der Corona-Pandemie, die bis heute andauert. Der Staat und die Kommunen mussten schnell reagieren, um das Schlimmste für die hessischen Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen abzuwenden. Das alles aber kostete Geld. In der Folge wirkte sich die Pandemie nicht nur auf unser aller Alltag, sondern natürlich auch auf die Verwaltung und damit auf die staatlichen und kommunalen Haushalte aus.“

Die Ausgaben erreichten coronabedingt einen Rekordwert von 32,8 Milliarden Euro (Anstieg um 4,4 Milliarden Euro). Gleichzeitig sanken die Einnahmen um 120 Millionen Euro auf 29,9 Milliarden Euro. Das Finanzierungsdefizit belief sich somit auf rund 2,9 Milliarden Euro.

Die Rücklagen wurden von insgesamt 3,5 Milliarden Euro auf 2,4 Milliarden Euro (um 1,1Milliarden Euro) abgebaut. Die Konjunkturausgleichsrücklage in Höhe von einer Milliarde Euro wurde entsprechend der gesetzlichen Vorgabe vollständig aufgelöst; die allgemeine Rücklage wurde um rund 300 Millionen Euro auf 1,3 Milliarden Euro reduziert. Die weiteren Rücklagen stiegen hingegen um rund 180 Millionen Euro auf rund 1,1 Milliarden Euro. Der Rechnungshof empfiehlt vor dem Hintergrund des Urteils des Staatsgerichtshofs, die allgemeine Rücklage sowie die weiteren Rücklagen in 2022 zu hinterfragen.

Die Staatsschulden stiegen von 42,4 Milliarden Euro auf 45,4 Milliarden Euro. Berücksichtigt man zusätzlich noch die Verbindlichkeiten gegenüber der Wirtschafts- und Infrastrukturbank, ergeben sich Schulden von insgesamt 52,1 Milliarden Euro (Vorjahr: 49,4Milliarden Euro). Die Nettokreditaufnahme in Kernhaushalt und Sondervermögen belief sich insgesamt auf 2,9 Milliarden Euro. Davon waren 2,75 Milliarden Euro Notlagenkredite, die aufgrund des Gute-Zukunft-Sicherungs-Gesetzes aufgenommen wurden.

Größere Klarheit nach Urteil des Staatsgerichtshofs zum Sondervermögen

Das Land hat zur Bewältigung der Pandemie ein Sondervermögen in einem Volumen von bis zu 12 Milliarden Euro über 3,5 Jahre aufgelegt. Im Jahr 2020 wurden 2,75 Milliarden Euro als Notlagenkredite aufgenommen, jedoch hiervon nur Ausgaben in Höhe von 2,1Milliarden Euro geleistet. Die restlichen 627 Millionen Euro wurden im Folgejahr im Zusammenhang mit der Pandemie verausgabt. Aus Sicht des Rechnungshofs wäre es dem Land möglich gewesen, weniger Kredite für die krisenbedingten Ausgaben aufzunehmen. So hätte beispielsweise die Allgemeine Rücklage von 1,3 Milliarden Euro stärker verwendet werden können.

Das Sondervermögen wurde vom Staatsgerichtshof in 2021 nachträglich für verfassungswidrig, aber nicht für nichtig erklärt. In seinem Urteil hat er viele Themen aufgegriffen, die der Rechnungshof in seiner Stellungnahme vom Juni 2020 an den Haushaltsgesetzgeber auch dargestellt hatte: zum Beispiel die Voraussetzungen für die Aufnahme von Notlagenkrediten, das Verwenden bestehender Rücklagen sowie das Budgetrecht des Parlaments.

In 2022 wurde das Sondervermögen aufgelöst und die Corona-Maßnahmen werden künftig im Kernhaushalt abgewickelt.

Wallmann betont: „Uns ist bewusst, dass der Haushaltsgesetzgeber mit der Ausrufung einer Notlage und dem Corona-Sondervermögen „Neuland“ betreten hat und dass es im Frühjahr 2020 noch keine Rechtsprechung hierzu gegeben hat. Und uns ist auch klar, dass der Staat gerade in Krisenzeiten jederzeit handlungsfähig sein muss und hierfür einen gewissen Spielraum benötigt. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass insbesondere auch auf Bundesebene Sondervermögen für schnelle und akute Hilfe genutzt werden. Die Rechnungshöfe sehen Sondervermögen grundsätzlich erstmal kritisch, da sich die Mittel außerhalb des Kernhaushalts befinden. Insofern begrüßen wir es, dass der Staatsgerichtshof in 2021 mit seinem Urteil größere Klarheit für zukünftige Sondervermögen geschaffen hat.“

Das Urteil des Staatsgerichtshofs vom 27. Oktober 2021 – zur Unvereinbarkeit des Sondervermögengesetzes mit der Landesverfassung – hat keine Rückwirkungen auf das Testat des Gesamtabschlusses und des Gesamtlageberichts 2020. Diese wurden von den Wirtschaftsprüfern uneingeschränkt testiert. Der Rechnungshof schließt sich dem Prüfungsurteil an.

Wachpolizei – finanzieller Vorteil ist entfallen, aber nur eingeschränkter Einsatz möglich

Hessen führte im Jahr 2000 die Wachpolizei ein. Diese startete zunächst als Pilotprojekt, hat sich heute aber bei allen Polizeipräsidien etabliert. Bei Wachpolizistinnen und -polizisten handelt es sich um Tarifbeschäftigte, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zum Land stehen und eine deutlich kürzere Ausbildung als andere Polizeibedienstete absolvieren. Sie werden vor allem für Objektschutz, Verkehrsüberwachung und Unterstützung bei Abschiebungen sowie Vorführungen bei Gerichten eingesetzt.

Ein Ziel für das Land war es, einen Kostenvorteil gegenüber dem mittleren Polizeidienst zu erzielen. Der finanzielle Vorteil entfiel jedoch durch die zwischenzeitlichen Höhergruppierungen der Wachpolizeibeschäftigten. Im Gegensatz zu Polizeibeamtinnen und -beamten sind Angehörige der Wachpolizei allerdings nur eingeschränkt einsetzbar. Ihr Einsatz ist insbesondere ausgeschlossen, wenn Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung bestehen – dies wäre bei Polizeibediensteten des mittleren Dienstes nicht der Fall. Der Rechnungshof regt vor diesem Hintergrund an, die Wiedereinführung des mittleren Polizeidienstes zu prüfen. Damit wäre bei ungefähr gleichen Kosten eine vollumfängliche Aufgabenwahrnehmung möglich.

Wallmann empfiehlt: „Natürlich leisten auch die Wachpolizistinnen und -polizisten wertvolle Beiträge zur inneren Sicherheit. Die finanziellen Vorteile der Wachpolizei sind mittlerweile jedoch nicht mehr vorhanden. Auch mit Blick auf den eingeschränkten Einsatzbereich der Wachpolizei sollte das Land den sukzessiven Aufbau eines neuen umfassend einsetzbaren mittleren Polizeivollzugsdienstes erwägen.“

Veterinärverwaltung – Überwachung verbessern, Lebensmittelsicherheit erhöhen

Die Lebensmittelüberwachung ist eine der Kernaufgaben der 26 kommunalen Veterinärämter. Sie umfasst insbesondere Betriebskontrollen sowie die Entnahme von Lebensmittelproben. Unsere Prüfung der Jahre 2016 bis 2018 zeigt, dass die Veterinärämter die Anforderungen an die Lebensmittelüberwachung insgesamt nur unzureichend erfüllten. So wurden von den für das Jahr 2018 vorgeschriebenen 50.900 Betriebskontrollen lediglich 37.500 umgesetzt. Mit einer Erfüllungsquote von 74 Prozent fiel somit jede vierte Betriebskontrolle aus. Die Spanne bei den einzelnen Ämtern reichte 2018 von 17 Prozent bis über 100Prozent. Die zu niedrige Kontrolldichte birgt das Risiko, dass lebensmittelrechtliche Verstöße unbemerkt bleiben. Auch bei den Lebensmittelproben, deren Probenplan vom Hessischen Landeslabor konzeptioniert wird, zeigte sich ein ähnliches Bild: Von den im Jahr 2018 angeforderten 20.700 Proben lieferten die Ämter nur 13.800 an das Landeslabor (ca. 67 Prozent).

Der Rechnungshof empfiehlt dem Umweltministerium, die Ursachen für die Überwachungsdefizite aufzuklären und gemeinsam mit den Veterinärbehörden Standards zu erarbeiten, um für einheitliche Kontrollen zu sorgen. Solange die gesetzlich vorgeschriebenen Plankontrollen nicht lückenlos durchgeführt werden können, sollten Betriebe mit höherem Risiko vorrangig überwacht werden. Das Umweltministerium sollte daher auf eine Priorisierung nach Risikoklassen hinwirken und Erfüllungsquoten nach einzelnen Risikoklassen ausprägen.

Für die Lebensmittelproben sollte die Organisation optimiert und ein zielgerichtetes Konzept erstellt werden. Mittelfristig sollte die Aufgabe der Probenentnahmen auf das Landeslabor übergehen. Wir sehen hierin eine Möglichkeit für eine signifikante Entlastung der Lebensmittelkontrolleure. Da die Kontrolleure so mehr Zeit für die Betriebskontrollen hätten, könnten diese qualitativ verbessert und quantitativ gesteigert werden. Auch wären Probenentnahmen und -untersuchungen an einer Stelle zentralisiert. Damit würden die kommunalen Aufgabenträger durch das Land entlastet.

Wallmann mahnt: „Nicht nur der letzte Lebensmittel-Skandal in Nordhessen hat die Bedeutung der Lebensmittelkontrolle aufgezeigt. Land und Kommunen sind aufgefordert, die Überwachung zu verbessern. Erfüllungsquoten von unter 20 Prozent sind im Lebensmittelbereich nicht hinnehmbar. Ziel muss die vollständige Aufgabenerfüllung sein. Das Land sollte dabei die kommunalen Veterinärämter entlasten und die Probenentnahmen zentral wahrnehmen.

Mit Blick auf die Evaluierung des bis Ende 2025 befristeten Kommunalisierungsgesetzes empfehlen wir zudem eine Analyse des tatsächlichen Finanzbedarfs. Hierzu sind Kostenstandards und ein Aufgabenkatalog zu entwickeln sowie eine Personalbedarfsberechnung vorzunehmen.“

Studierendenwerke – hohe Rücklagen, aber zu wenig Wohnheimplätze

Der Rechnungshof hat die fünf hessischen Studierendenwerke geprüft. Im Zeitraum von 2015 bis 2019 stiegen deren Rücklagen von 74,5 Millionen Euro auf 112,2Millionen Euro. Die Studierendenwerke verfügten im Einzelfall über liquide Mittel von bis zu 29,2Millionen Euro. Sie mussten deshalb teilweise Negativzinsen an die Geldinstitute zahlen. Geplante Maßnahmen zur Verwendung der Rücklagen lagen dem Rechnungshof nur in Kassel vor. Es wird allen Studierendenwerken empfohlen, konkrete Planungen aufzustellen und damit die Angemessenheit der Rücklagen zu belegen. Das Wissenschaftsministerium sollte dort, wo keine konkreten Planungen bestehen, die Haushaltsansätze künftig entsprechend kürzen.

Nach der Vorgabe der Landesregierung sollen für 10 Prozent der Studierenden geförderte Wohnheimplätze durch die Studierendenwerke vorgehalten werden. Diese Quote lag im Wintersemester 2019/20 jedoch durchschnittlich nur bei 5,4 Prozent, die Spanne reichte dabei von 3,8 bis 8,3 Prozent.

Wallmann stellt fest: „Die Nachfrage nach Wohnheimplätzen ist natürlich höher als das Angebot – insbesondere im Ballungsraum. Deshalb sollten die Studierendenwerke weiterhin Anstrengungen unternehmen, um wenigstens die von der Landesregierung vorgegebene Quote geförderter Wohnheimplätze zu erfüllen. Hierzu sind selbstverständlich Rücklagen notwendig, aber es darf nicht dazu führen, dass „unendliche“ Rücklagen ohne konkrete Verwendungsplanung geschaffen werden. Zudem sehen wir Einsparmöglichkeiten bei der BAföG-Bearbeitung durch die Studierendenwerke. Legt man externe Untersuchungen zu Grunde, könnten bis zu 20 Stellen eingespart werden. Dies entspräche möglichen Einsparungen von 1,6 Millionen Euro pro Jahr.“

IT und Digitalisierung – Medienbrüche, Sicherheitslücken, immer noch viel Papier!

Bei unseren Prüfungen im Bereich IT und Digitalisierung zeigten sich Mängel im Planungs- und Projektmanagement, IT-Sicherheitsdefizite bei Schutzbedarfen und Serverräumen sowie Medienbrüche trotz Digitalisierung.

IT-Fachverfahren in der Justiz – verspätet und deutlich teurer!

Die eJustice-Gesetze des Bundes sehen die verbindliche Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs ab 2018 und der E-Akte bis Ende 2026 vor. In der hessischen Justiz ist die Einführung dieses eJustice-Programms aber aufgrund von Planungs- und Projektmängeln hinsichtlich Zeit und Kosten weit außer Plan. Die Laufzeit hat sich von sechs Jahren auf nunmehr elf Jahre fast verdoppelt und die geplanten Kosten sind von 37 Millionen Euro (2015) um 354 Prozent auf 168Millionen Euro (2019) gestiegen.

Seit der gesetzlichen Verpflichtung können u.a. Schriftsätze, Anträge und Erklärungen von Rechtsanwälten als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Bis zur Einführung der elektronischen Akte bei den Gerichten müssen diese elektronischen Posteingänge aber ausgedruckt werden, um sie in der rechtsverbindlichen Papierakte bearbeiten zu können. In der gerichtlichen Praxis ist vielfach von den Gerichten als „Druckstraße der Anwälte“ die Rede. Während im Jahr 2018 erst rund 74.000 Eingänge über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingingen, waren es im Jahr 2019 bereits rund 441.000. Dies alles führt zu unnötigen und teuren Medienbrüchen, aus denen wiederum auch eine längere Bearbeitungszeit resultiert.

Wallmann weist darauf hin: „Der Presse ist immer wieder zu entnehmen, dass in der Justiz Personal fehlt. Durch eine stringente Digitalisierung könnten hier enorme Potenziale gehoben werden. Aktuell führen die unvollendete Digitalisierung und die Medienbrüche jedoch zu einer Mehrbelastung und binden zusätzliche Personalressourcen. Durch die Nutzung der E-Akte müsste mindestens eine halbe Million Schriftsätze pro Jahr nicht mehr ausgedruckt werden. Diese personellen Ressourcen könnten dann sinnvoller eingesetzt werden. Gleichzeitig muss aber auch das Projektmanagement deutlich verbessert werden. Eine Kostensteigerung von über 350 Prozent ist nicht akzeptabel.“

IT-Organisation im Umweltressort – Sicherheitsrisiken für Daten und Serverräume

Laut Informationssicherheitsleitlinie sind für alle IT-Systeme und -verfahren Sicherheitskonzepte einschließlich einer Schutzbedarfsfeststellung zu erstellen.

Nach den Feststellungen des Rechnungshofs waren bei 230 IT-Fachverfahren im Umweltressort, dies entspricht ca. 65 Prozent der Fachverfahren, die Schutzbedarfe seit der Aktualisierung der Informationssicherheitsleitlinie im Juli 2016 nicht überarbeitet oder ermittelt worden. Dies führt dazu, dass keine bedarfsgerechten Sicherheitskonzepte erstellt werden können und möglicherweise erhebliche Sicherheitsrisiken nicht entdeckt werden.

Außerdem waren beim Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie in den Serverräumen erhebliche Brandlasten wie Möbel oder Verpackungen deponiert. Die Klimatisierung der Räume war mangelhaft und von Ausfällen geprägt. Dadurch fielen mehrmals Server sowie andere zentrale Komponenten des Netzwerks aus.

Wallmann fordert: „Die IT-Schutzbedarfe müssen schnell definiert werden. Die festgestellten Mängel in den Serverräumen müssen beseitigt und die Brandschutzvorgaben eingehalten werden. Aus unserer Sicht sollte das Landesamt über eine Verlagerung der IT-Infrastruktur in das Rechenzentrum der HZD nachdenken.“

Erbschaftsteuer – durch Digitalisierung für Erben und Staat schneller!

Die drei hessischen Erbschaftsteuerstellen setzten in 2018 rund 570Millionen Euro Erbschaftsteuer fest. Jährlich gehen 70.000 Sterbefallanzeigen in Papierform ein. Je nach Einzelfall wird dazu ein Vielfaches an Unterlagen in Papierform eingereicht. Der Zuordnungs- und Sortieraufwand für Hunderttausende Papierbelege würde durch Digitalisierung entfallen. Somit könnte das mit dieser Arbeit betraute Personal für andere Tätigkeiten eingesetzt werden.

Zudem könnte durch digitalisierte Prozesse eine deutlich schnellere Bearbeitung erfolgen. Momentan beginnt die händische Auswertung der Unterlagen grundsätzlich erst sechs Monate nach Ende des Sterbemonats. Je länger sich die Festsetzung und Realisation der Erbschaftsteuer verzögert, desto größer wird das Risiko, die Steuer nicht oder nicht mehr vollständig vereinnahmen zu können. Daneben besteht der Wunsch der Steuerpflichtigen, die Steuerlast zeitnah zu erfahren und zu begleichen. Dies ist beispielsweise in Erbschaftsstreitigkeiten wichtig.

Wallmann betont: „Gerade bei der Erbschaftsteuer ist es vor allem für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für den Staat wichtig, dass es ein zügiges Verfahren gibt. Nur durch die Digitalisierung können die Prozesse beschleunigt, vereinfacht und verbessert werden. Zudem könnte der Staat dadurch einen Liquiditätsvorteil erzielen und wäre von weniger Steuerausfällen bedroht.“

Wallmann fasst zusammen: „Unsere drei Digitalisierungsprüfungen zeigen, dass noch viel zu tun ist: Hinsichtlich der Nutzerfreundlichkeit und Schnelligkeit für Bürgerinnen und Bürger, hinsichtlich Wirtschaftlichkeit in der staatlichen Verwaltung und hinsichtlich IT-Sicherheit der Daten und Prozesse. Um diese Aspekte zu verbessern, müssen die Prozesse konsequent vom Nutzenden her gedacht werden und Medienbrüche vermieden werden. Das Land ist hier gefordert, die aktuellen Rechtsnormen und Rahmenbedingungen im Sinne der Digitalisierung anzupassen. In genau diesem Zusammenhang haben wir das Land auch als Landesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit umfassend beraten.“

Nachgehakt: Schwere Vergabeverstöße bei der Städtebauförderung

Der Rechnungshof beanstandete in seinen Bemerkungen 2017 schwere Vergabeverstöße der Stadt Darmstadt. Diese erhielt von 1999 bis 2014 für die Städtebauförderung rund 5,1 Millionen Euro Bundes- und Landesmittel aus dem Programm Soziale Stadt.

Aufgrund der vom Rechnungshof festgestellten Vergabeverstöße wurden die förderfähigen Kosten in der Schlussabrechnung 2020 in Höhe von insgesamt rund 1,65 Millionen Euro verringert. Dadurch musste Darmstadt im März 2021 rund eine Million Euro an das Land zurückzahlen. Dieses Geld steht nun für die Förderung anderer Kommunen zur Verfügung.

Wallmann betont: „Hier hat sich die beharrliche Arbeit des Rechnungshofs ausgezahlt. Mit öffentlichem Geld geförderte Projekte bedürfen selbstverständlich auch einer öffentlichen Kontrolle. Schwere Vergabeverstöße können in einem Rechtsstaat nicht hingenommen werden.“

Paradigmenwechsel finanzieren

Wallmann fasst zusammen: „Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten. Die letzten Jahre sind zunächst durch die Pandemie und jetzt durch den Krieg geprägt. Finanziell haben Bund und Land hierauf reagiert und Sondervermögen betreffend die Pandemie, die Bundeswehr und den Klimaschutz eingerichtet bzw. geplant. Insbesondere das Urteil des Staatsgerichtshofs hat verdeutlicht, wie schwer es ist, diesen Weg rechtssicher zu beschreiten. Vor allem, da das Haushaltsrecht – auch mit seiner Schuldenbremse – zwar Notlagenmechanismen vorsieht, die aber nicht vor dem Hintergrund der alle Bereiche umfassenden Corona-Pandemie oder eines Krieges in Europa entwickelt wurden. Wenn Leben und Gesundheit der Menschen bedroht sind – sei es durch Pandemie oder Krieg – rücken haushaltsrechtliche Fragen zunächst erst einmal in den Hintergrund. Sparsamkeit und Finanzkontrolle sind dennoch wichtig, da Ressourcen frei gemacht werden müssen für die anstehenden Herausforderungen, wie zum Beispiel auch Organisation und Unterbringung von Flüchtenden. Egal, ob es um den Bundes-, Landes- oder Kommunalhaushalt geht, gilt: An einer Priorisierung von Aufgaben und Mitteln geht kein Weg vorbei, wenn der Paradigmenwechsel gelingen soll.“

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