Externe Einflussfaktoren
Technischer Fortschritt und Digitalisierung
- Die rasante Entwicklung der Technik – aktuell wie auch künftig – verändert die Rahmenbedingungen und auch die Anforderungen für den Austausch zwischen Prüfern und Geprüften.
- Der Einsatz autonomer Prüfungssysteme nimmt zu.
- Ein Trend zur effizienteren Verwaltung durch einheitliche IT-Struktur ist erkennbar.
- Unabhängig von der eingesetzten Technik sind Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit der Daten und Systeme sicherzustellen. Dies gilt bei Transport, Sicherung und Kommunikation.
- Die Erwartungshaltung der Bürger und der Adressaten der Finanzkontrolle verändert sich aufgrund neuer digitaler Angebote.
- Neben der Sicht nach innen (z. B. digitale Verwaltungsfachverfahren) muss auch die Sicht nach außen auf die vielen Empfänger der Verwaltungsleistungen in den Vordergrund treten.
- Um disruptive Veränderungen erfolgreich zu bewältigen, ist die Akzeptanz bei den betroffenen Personen entscheidend. Dies macht ein begleitendes Veränderungsmanagement erforderlich.
- Neue Technik steigert die Attraktivität des Arbeitsumfelds.
Konsequenzen für die Finanzkontrolle
- Um eine vertrauliche Behandlung und Verfügbarkeit der Daten sicherzustellen, sind beispielsweise Cloudangebote wie „Hessendrive“sinnvolle Lösungen.
- Der Einsatz von gemeinsamer Hard- und Software, ein gemeinsames E-Mail-System und die Integration in die IT des Landes haben sich beim Hessischen Rechnungshof bewährt. Dadurch ist der Fernzugriff auf Daten und E-Mails der Geprüften möglich.
- Digitalisierung bedingt: Die Verwaltung muss ihre Prozesse anpassen/neu entwickeln und dabei vom „Bürger her denken“. Dies gilt auch für die Prüfer: Legislative, Exekutive und die geprüfte Stelle sind – neben dem Bürger als Steuerzahler – die Adressaten der Finanzkontrolle.
- Technik verändert Verwaltung: Die IT-Unterstützung und die veränderten Prozesse in der Verwaltung führen auch zu veränderter Prüfung (siehe E-Akte, SAP, Daten „nur“ noch in Cloud, Share-Service-Center, Datenräume etc.) und zu veränderten Anforderungen an die Revisionssicherheit der Daten und Systeme!
- Um adressatengerecht und praxisorientiert arbeiten zu können, muss die IT-Sicherheit der öffentlichen Finanzkontrolle mit der technischen Entwicklung Schritt halten.
- Auch in der Finanzkontrolle ist Digitalkompetenz aufzubauen! Zukünftige Trends müssen von den Geprüften und den Prüfern erkannt werden.
- Durch die „neue“ Technik können bereits vor der eigentlichen Prüfung große Datenmengen automatisiert ausgewertet werden. Die Transparenz über das beabsichtigte Prüfungsthema wird verbessert. Dies ermöglicht ein zielgerichteteres Prüfen und erleichtert die Prüfungsvorbereitung. Gleichzeitig werden Prüfer und Geprüfte durch geringeren Aufwand entlastet.
- Veränderung der Technik (HessenPC, Public-Key-Infrastruktur, Verschlüsselung) führt zu einer besseren Prüfungsunterstützung.
- Veränderte Prüfung bedeutet auch veränderte Prüfer, veränderte Methodik und neue Prüfungsfelder! So können Saldenbestätigungen, die früher manuell erstellt worden sind, bald per Blockchain erfolgen.
- Gleichzeitig steigt die Erwartungshaltung der Verwaltung an die Prüfung. Auch die Geprüften erwarten eine moderne, zeitgemäße und damit unaufwändigere Prüfung.
Steigende Komplexität
- Konfrontation mit zunehmender Globalisierung und Dynamik der Umwelt
- Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen, sodass die Wirkungen schwer abzuschätzen sind.
- Die steigende Komplexität erschwert Entscheidungen und erhöht den Beratungsbedarf: Die Chance etwas zu ändern, sollte genutzt werden, solange es noch möglich ist.
- Eine interdisziplinäre Herangehensweise an Fragestellungen ist erforderlich.
- Veränderungen als „Normalität“ begreifen und gestalten
Konsequenzen für die Finanzkontrolle
- Geprüfter und Prüfer lernen aus Beratung. Der Prüfer kann höhere Sach- und vor allem auch Methodenkompetenz (Projektmanagement, Kommunikation, Mediation) entwickeln.
- Einrichtung eines Beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung bei einzelnen Rechnungshöfen (z. B. Bund, Hessen, Rheinland-Pfalz)
- Einrichtung einer Stabsstelle zur Beratung der Nicht-Schutzschirmkommunen in Hessen
- Analyse der Haushaltssituation und Erarbeitung von Handlungsempfehlungen als Hilfe zur Selbsthilfe und als ein mögliches Beratungsinstrument
- Gute Beratungsergebnisse erzielt man im Dialog, nicht im Monolog: Chance auf ein besseres Image des Prüfers bei Geprüftem, bei Exekutive und Legislative; höheres Vertrauen zwischen Prüfer und Geprüften.
- Risiken: „Bindung“ durch die Beratung für die Zukunft – auch für spätere Prüfungen, höhere Verantwortung für Ergebnis nach Umsetzung der Empfehlungen
- Kapazitätsgrenzen im Blick behalten
- Ein schnelleres, interdisziplinäres und unbürokratischeres Verfahren für Prüfung und Beratung ist erforderlich!
- Standards für eine gute Prüfung und Beratung sind: Nützlichkeit, Durchführbarkeit, Fairness, Genauigkeit
- Mehr Teambuilding und Personalentwicklung beim Prüfer („job enrichment“), dadurch ggf. höhere Motivation und höhere Attraktivität des Arbeitsplatzes, Chance auf Organisationsentwicklung beim Prüfer und beim Geprüften
Nachhaltigkeit und Generationsgerechtigkeit
- Finanzielle Nachhaltigkeit als Ausdruck der Generationengerechtigkeit begreifen
- Finanzielle Nachhaltigkeit/Generationengerechtigkeit ist nur ein Element („nachhaltige Städte und Gemeinde“) neben der ökologischen und der sozialen Nachhaltigkeit.
- Nachhaltigkeit des staatlichen und kommunalen Handelns künftig stärker hinterfragen (vgl. Nachhaltigkeitsagenda 2030 der Vereinten Nationenund vgl. Informationen der Bundesregierung zur Nachhaltigkeitsagenda)
- Nachhaltigkeit z. B. auch in Art. 26c der Hessischen Verfassung: Staat und Kommunen berücksichtigen bei ihrem Handeln das Prinzip der Nachhaltigkeit, um die Interessen künftiger Generationen zu wahren. (Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Hessen) (Bsp. § 1 Gemeindeordnung NRW); (Nachhaltigkeitssatzung der Kommunen)
- Viele öffentliche Unternehmen haben sich verpflichtet, Anforderungen zur Nachhaltigkeit einzuhalten, z.B. Standards des Rats für nachhaltige Entwicklung
Konsequenzen für die Finanzkontrolle
- Das Thema Nachhaltigkeit führt zu neuen und veränderten Prüfungsfeldern für die Finanzkontrolle.
- Bonner Erklärung der Rechnungshöfezur Prüfung der Nachhaltigkeit: Diese setzt teilweise auch neue Prüfungsmaßstäbe für bisher bereits vorhandene Prüfungsfelder.
- Ein stärkerer Austausch innerhalb der öffentlichen Finanzkontrolle ist notwendig, um gemeinsam Standards und Maßstäbe für die Nachhaltigkeitsprüfung zu entwickeln.
New Public Management und Doppik
- Staatsfinanzkrise in Europa offenbarte die Notwendigkeit eines reformierten und harmonisierten öffentlichen Rechnungswesens.
- Doppik stellt umfangreiche Informationen zur Lage der öffentlichen Verwaltung bereit (Transparenzerhöhung), führt zu vollständigem Schuldenausweis und verbessert das Finanzmanagement
- EPSAS führt zu Veränderung der öffentlichen Verwaltung: der Bund und die meisten Länder sind gefordert; die Mehrzahl der Kommunen und die öffentlichen Unternehmen haben damit weniger Schwierigkeiten
- Ohne Digitalisierung nicht umsetzbar: Bereitstellung aller steuerungsrelevanten Informationen; Transparenz durch Digitalisierung; Kostensenkung durch Digitalisierung angestrebt
- Einführung einer outputorientierten Steuerung
- Dezentrale Fach-, Budget- und Vollzugsverantwortung
Konsequenzen für die Finanzkontrolle
- Doppik als Erfolgsfaktor für moderne Prüfung (und auch für finanzielle Nachhaltigkeitsmessung)
- Veränderte Verwaltung führt zu veränderter Prüfung!
- Aufgrund größerer Transparenz erleichtert Doppik die Prüfung.
- Einführung der Doppik führt zu neuen Anforderungen an das Know-how der Prüfer.
- Es ergeben sich zum einen neue Prüfungsthemen, zum anderen neue Prüfungsansätze.
- Nicht nur Effizienz, sondern auch Effektivität als Prüfungsmaßstab
Datenschutz und rechtliche Vorgaben
- Stetige Ausweitung der gesetzlichen Vorgaben in den unterschiedlichsten Bereichen (z. B. DSGVO, Vergaberecht, Baurecht)
- Die DSGVO ist unabhängig vom deutschen Recht, sodass die EU-Kommission Weisungen erteilen kann, wie das europäische Recht ausgelegt werden soll.
- Aufgrund der Komplexität der DSGVO stellt sich immer wieder die Frage nach deren Beachtung sowohl im beruflichen als auch im privaten Kontext.
Konsequenzen für die Finanzkontrolle
- Neue Rechtsvorschriften eröffnen neue Prüfungsfelder für die Finanzkontrolle.
- Neue Rechtsvorschriften haben elementare Bedeutung für die Umsetzung der Prüfungsaufgabe, insbesondere auch im Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten.
- Für die Rechnungshöfe stellt sich insbesondere die Frage, wie vor dem Hintergrund der DSGVO mit personenbezogenen Daten, wie z.B. Bürgerdaten, umzugehen ist.
- Es ist zu klären, ob die Finanzkontrolle im zu betrachtenden Fall Erst- oder Zweiterheber von personenbezogenen Daten ist.
- Im Hinblick auf konkrete Fragestellungen sollte auf die Kommentare zur DSGVO zurückgegriffen werden.
Open Government und Transparenz
- Eine bürgerorientierte Gestaltung von Staat und Verwaltung ist dauerhaft zu verankern.
- Der Trend zum Open Government bedeutet offener und verständlicher Haushalt (siehe „Open Budget Index“ ä) und somit die Gewährleistung von Transparenz.
- Wunsch der Bürger nach transparentem Regierungs- und Verwaltungshandeln
- Veränderte Kommunikation in Gesellschaft und Verwaltung: Transparenz kann zu einem höheren Vertrauen des Bürgers in Staat und Unternehmen führen und damit steigender Staats- und Politikverdrossenheit sowie Populismus und „Fake News“ vorbeugen.
- Offene Vergabeverfahren tragen zur höheren Transparenz bei.
Konsequenzen für die Finanzkontrolle
- Überzeugende Argumentation und Information der Rechnungshöfe gegenüber Parlament, Medien und Bürgern
- Wirksame Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erfordert Relevanz und Belastbarkeit der Prüfungsergebnisse
- Kontradiktorisches Verfahren ä der Rechnungshöfe
- Transparentes, faires Verfahren im Umgang mit den geprüften Stellen
Die Vielzahl und die Unterschiedlichkeit der externen Einflussfaktoren unterstreichen die Komplexität der Rahmenbedingungen, auf die eine innovative Finanzkontrolle eingehen und denen sie sich stellen muss. Es wird deutlich, dass es ein „Weiter so!“ nicht geben kann. Vielmehr sind alle Beteiligten, Verwaltung und Finanzkontrolle, aufgerufen, sich bewusst mit den aktuellen Veränderungen auseinanderzusetzen und gemeinsam Lösungswege zum Wohl der Bürger zu entwickeln. Dabei stellten sich die Teilnehmenden des Arbeitskreises die Frage, welche internen Faktoren die Finanzkontrolle besonders berücksichtigen muss, um diesen Veränderungen aktiv, aber auch erfolgreich zu begegnen.
Nachfolgend sind die wesentlichen internen Erfolgsfaktoren mit ihren Teilaspekten dargestellt.
Interne Erfolgsfaktoren
Ziele und Werte
- Ein faires Verfahren sicherstellen, d. h., jederzeitige Transparenz für den Geprüften über Ziele und Stand des Verfahrens sowie die Möglichkeit, sich mehrfach in das Prüfungsverfahren einbringen zu können.
- Einigkeit über Sachverhalte/Daten herstellen, diese Einigkeit dokumentieren (z. B. Protokoll, Bestätigung der Datenrichtigkeit) und im weiteren Verfahren dann „nur noch“ die Bewertungen und Empfehlungen diskutieren. Durch den offenen Austausch soll eine (gemeinsame) Problemlösung angestoßen werden. Ziel ist es, eine faire und praxisorientierte Rolle im Veränderungsprozess einzunehmen.
- Ein faires Verfahren ist gleichfalls wesentlich für die Wirksamkeit der Finanzkontrolle: nur relevante und belastbare Ergebnisse sowie überzeugende und adressatengerechte Informationen können Veränderungsimpulse geben!
- Unabhängigkeit als Erfolgsfaktor: Formelle und materielle Unabhängigkeit ist notwendig und Voraussetzung für wirksame Finanzkontrolle.
- Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gilt auch für die öffentliche Finanzkontrolle: Prüfungsökonomie bedeutet auch Hinterfragen der eigenen Effizienz und Effektivität!
- Kultur der kontinuierlichen Verbesserung
- Entwicklung einer „Fehlerkultur“ (Fehler sind Ausgangspunkt für „Lernen“ und Verbesserung) vorantreiben.
Aufgaben
- Prüfung von Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit tritt neben Ordnungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit
- Risikoorientierter Prüfungsansatz: Schwerpunktsetzung stärkt Wirksamkeit (relevante Themen) und Wirtschaftlichkeit (zielgerichtet prüfen)
- Der risikoorientierte Prüfungsansatz sollte auf einem Risiko-Assessment gründen. Dieses ist infolge der besseren Verfügbarkeit von Daten – auch im Vorfeld von Prüfungen – aussagekräftig möglich.
- Prüfung der Verwaltungsorganisation und -prozesse ist ein wichtiger Bestandteil des risikoorientierten Prüfungsansatzes.
- Prüfung als Element der Führungsunterstützung für die Entscheidungsebene
- Unterstützung der Legislative (Parlament, Gemeindevertretung) bei der Kontrolle der Exekutive (Regierung und Verwaltung)
- Nicht mehr ausschließlich Prüfungen ex post, sondern verstärkt auch zukunftsorientiert und proaktiv
Personal
- Veränderte Prüfung und veränderte Prüfer
- Für interdisziplinäre Prüfung ist künftig vielfältige Fachkompetenz notwendig.
- Wichtig sind analytische Kompetenz und schnelle Auffassung, um komplexe Themen bearbeiten zu können.
- Methodenkompetenz muss aufgebaut werden, um die unterschiedlichen Prüfungsfelder bearbeiten zu können.
- Prüfungsmanagement-, Kommunikations-, Konfliktlösungs- und Beratungskompetenzen sind Schlüsselkompetenzen.
- Integrität, Sachkunde, Sorgfalt, Objektivität, Unabhängigkeit und Qualität kennzeichnen den Beruf des Prüfers.
- Es bedarf analytisch ganzheitlich denkender Prüfer, die sich als Impulsgeber für Veränderungen verstehen.
- Attraktivität der Prüfungstätigkeit erhöhen (z. B. durch Arbeiten in interdisziplinären Teams, Rotations- und Fortbildungsmöglichkeiten, hohe Vereinbarkeit von Familie und Beruf etc.)
Methodik und Prozesse
- Statt belegorientierter Einzelfallprüfung der Ordnungsmäßigkeit mehr System-, IKS- sowie Prozess- und Projektanalyse
- Veränderte Inhalte führen zu veränderter Prüfungsmethodik
- Durch veränderte Inhalte, veränderte IT, verändertes Personal sind veränderte Prozesse notwendig
- Managementinformationssysteme können Grundlage für eine Prüfung sein. Sie sind auch hilfreich für den risikoorientierten Prüfungsansatz!
- Prüfungsstandards der Finanzkontrolle weiterentwickeln
- Unterstützung durch das Abfassen von Prüfungs- und Revisionsordnungen
- Verwendung von Prüfsoftware, Checklisten zur Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der Prüfungstätigkeit
- Vereinheitlichung und Arbeitserleichterung durch den Einsatz von Musterberichten und Vordrucken
Externe und interne Kommunikation
- Die Anforderungen an die Kommunikation der Prüfungsergebnisse sind gestiegen (auch über positive Beispiele berichten).
- Zielsetzung und Relevanz der Finanzkontrolle deutlich kommunizieren: Öffentliche Finanzen brauchen öffentliche Kontrolle.
- Überwachung der Verwendung von öffentlichen Mitteln im Interesse der Bürger. Ziel: Transparenz schaffen, so kann man Vertrauen erhöhen!
- Werte der Finanzkontrolle bei Kommunikation nach innen wie nach außen beachten
- Wirksame, adressatengerechte Kommunikation
- Eine offene Kommunikationskultur innerhalb der Finanzkontrolle und in den einzelnen Prüfeinrichtungen vorantreiben.
- Mehrwert / Nutzenorientierung der Prüfung verdeutlichen