Bild des Kommunalberichts 2018

Hessischer Rechnungshof

Von der Metropole bis zum ländlichen Raum - Kommunale Unterschiede erkennen und Lasten fairteilen

Die finanzielle Lage und die Schulden der hessischen Kommunen haben sich 2017 insgesamt positiv entwickelt. Aber Hessens Kommunen sind heterogen. Dies zeigt sich nicht nur bei der finanziellen Lage, sondern auch beim Personal und bei den Siedlungsstrukturen. Dass auch bei schwieriger finanzieller Lage der Haushaltsausgleich gelingen kann, belegen die Prüfungen des Kommunalberichts 2018.

Bei strukturellen Nachteilen und bei der Förderung des ländlichen Raums ist auch das Land gefordert. Wo die einzelnen Kommunen im Landesvergleich stehen, zeigt unser neu entwickelter Kommunalmonitor. Mit Hilfe von interaktiven Karten können sich Kommunen, Bürger und Medien informieren.

Wie ist die aktuelle Finanzsituation der hessischen Kommunen zu bewerten?

Die hessischen Kommunen erzielten 2017 einen positiven Finanzierungssaldo von über 1 Milliarde Euro. Die positive Entwicklung der letzten Jahre setzte sich damit fort.

Aber die Kommunen sind heterogen: während rund drei Viertel (335 Kommunen) Überschüsse erwirtschafteten, waren 113 defizitär. Dabei verschlechterte sich beispielsweise die Stadt Frankfurt gegenüber dem Vorjahr von -69 Millionen Euro auf -165 Millionen Euro in 2017. Diese Defizite konnten zwar durch die Rücklagen kompensiert werden, lassen aber die Frage offen, warum in außerordentlich einnahmestarken Jahren Rücklagen aufgebraucht und nicht aufgebaut wurden. In 2015 wies die Stadt noch einen positiven Finanzierungssaldo von 73 Millionen Euro aus. In keiner anderen Kommune verschlechterte sich 2017 der Finanzierungssaldo im Vergleich zum Vorjahr stärker.

Wallmann betont: „Obwohl seit Jahren gute Rahmenbedingungen herrschen, gibt es trotzdem noch defizitäre Kommunen. Mit unseren Prüfungen und Beratungen wollen wir diese Kommunen unterstützen den Turnaround zu schaffen, um wieder politische Gestaltungsfreiheit zu erlangen.“

Dass ein Haushaltsausgleich grundsätzlich möglich ist, zeigte unsere Prüfung bei 19 besonders defizitären Kommunen außerhalb des Schutzschirms. Diese planten für 2016 durchweg Defizite ein, obwohl dies den Vorgaben der Gemeindeordnung widersprach. Zehn der 19 Kommunen schafften allein durch die guten Rahmenbedingungen trotzdem den jahresbezogenen Haushaltsausgleich. Durch Umsetzung unserer Empfehlungen hätten sechs weitere Kommunen allein durch Aufwandsoptimierung den Ausgleich erzielen können. Nur Eppstein, Morschen und Tann hätten noch zusätzlich die Ertragsseite in Angriff nehmen (z.B. Gebührenanpassung) sowie - als Ultima Ratio - die Grundsteuer B erhöhen müssen.

„Wer jetzt den Turnaround nicht ansteuert, wird es in schwierigen Zeiten erst recht nicht schaffen, seinen Haushalt auszugleichen. Weitere Defizite bedeuten wachsende Verschuldung und damit steigende Belastungen der Bürger. Dies ist gegenüber künftigen Generationen unfair, da sie die Rechnung für die aktuelle Generation mitzahlen müssen. Zudem erschweren die Schulden und Zinslasten die Stabilisierung der Kommunalfinanzen langfristig.

Wir haben deshalb schon 2015, gemeinsam mit dem Innenministerium, eine Beratungsstelle für defizitäre Kommunen eingerichtet, die nicht im Schutzschirm-Programm waren (Nicht-Schutzschirmkommunen-Beratung). Unser Ziel ist es, durch die Beratung den Kommunen den Rücken zu stärken, um auch die eine oder andere unpopuläre Maßnahme im Interesse des Haushaltsausgleichs und damit der Generationengerechtigkeit umsetzen zu können“, so Wallmann.

Im September 2018 waren wir bereits bei der 100. Nicht-Schutzschirmkommune vor Ort. Obwohl die Kollegen die Kommunen sehr individuell beraten, zeigen sich über alle Kommunen hinweg die folgenden Erfolgsfaktoren für den Haushaltsausgleich:

  • Anpassung der Infrastrukturen an den demographischen Wandel, insbesondere bei Bürgerhäusern, Kultureinrichtungen, Feuerwehren, Spielplätzen
  • Aktualisierung der Gebührensatzungen
  • Nutzung von Fluktuationspotenzialen und Interkommunaler Zusammenarbeit.

Wie haben sich die Schulden der Kommunen verändert?

Die kommunalen Schulden der Kernhaushalte gingen 2017 um rund 560 Millionen Euro auf 17,4 Milliarden Euro zurück.

Aber auch hier zeigt sich: die hessischen Kommunen sind heterogen. Den höchsten Schuldenstand je Einwohner hatte Heringen mit 10.691 Euro. Offenbach hatte den Höchstwert der kreisfreien Städte mit 7.248 Euro. Der höchstverschuldete Landkreis war der Hochtaunuskreis mit 3.225 Euro je Einwohner. Hingegen wies Eschborn lediglich 58 Euro je Einwohner auf.

Durch die Hessenkasse werden in diesem Jahr rund 4,9 Milliarden Euro an Kassen­krediten abgelöst. Die Kommunen werden dadurch stark entlastet, das Land hat im Gegenzug eine höhere Belastung zu stemmen. Die Schulden in den Kernhaushalten sind jedoch nicht die einzigen Schulden der Kommunen. Berücksichtigt man die ausgelagerten Bereiche (sog. FEU’s wie Unternehmen, Beteiligungen oder Zweckverbände), so ergeben sich Gesamtschulden von rund 33 Milliarden Euro.

Zudem bestehen noch implizite Schulden (z.B. Pensionslasten der Zukunft, Instandhaltungsrückstellungen etc.), deren Höhe aber nicht in einer Gesamtstatistik erfasst wird und folglich von uns auch nicht abgebildet werden kann.

Wallmann weist darauf hin: „Knapp die Hälfte der Schulden befindet sich außerhalb der Kernhaushalte. Deshalb gilt: Solange der Gesamtabschluss nicht vorliegt, fehlen den Entscheidern wichtige Informationen. Für die Steuerung müssen diese auf Knopfdruck verfügbar sein, sonst ist es wie eine Autofahrt mit halb zugeeister Frontscheibe! Für eine unfallfreie Fahrt ist ein uneingeschränktes Sichtfeld unabdingbar!“

Damit künftig positive Finanzierungssalden möglich sind und neue Schulden vermieden werden, ist es notwendig, die Einnahmen- und die Ausgabenseite im Blick zu behalten.

Sind alle Kommunen gleich einnahmestark?

Die hessischen Kommunen waren auch 2017 überdurchschnittlich einnahmestark: sie rangierten im Vergleich der Flächenländer mit 3.549 Euro je Einwohner auf dem zweiten Platz. Sie hatten zudem mit 1.537 Euro die höchsten Netto-Steuereinnahmen je Einwohner. Insgesamt nahmen die hessischen Kommunen 9,6Milliarden Euro netto an Steuern ein. Die wichtigste Steuerart für die hessischen Kommunen war die Gewerbesteuer (rund 4,2 Milliarden Euro). Die Netto-Einnahmen aus der Gewerbesteuer machten rechnerisch 44Prozent der gesamten Netto-Steuereinnahmen des Jahres 2017 aus. Allerdings waren die Netto-Einnahmen aus der Gewerbesteuer innerhalb Hessens sehr heterogen verteilt. Besonders hohe Gewerbesteuereinnahmen hatte die Stadt Frankfurt. In der mit Abstand einwohnerstärksten Stadt lag das Netto-Gewerbesteueraufkommen 2017 bei 1,5 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von rund 35 Prozent des gesamten Netto-Gewerbesteuer­aufkommens in Hessen. Der Einwohneranteil der Stadt an allen Einwohnern des Landes liegt hingegen nur bei knapp 12 Prozent. Allein fünf Städte (Frankfurt, Wiesbaden, Kassel, Darmstadt und Eschborn) nahmen über 50 Prozent der gesamten Gewerbesteuer ein. Die verbleibenden 2 Milliarden Euro verteilten sich auf die anderen 421 Kommunen zu unterschiedlichen Anteilen.

Bei fast 90 Prozent der Kommunen ist der Anteil an der Einkommensteuer die bedeutsamste Einnahmequelle. Diese bedeutende Einnahmequelle verliert für einzelne Kommunen insbesondere dann an Wert, wenn ihre jeweilige Bevölkerung in Folge der demografischen Entwicklung abnimmt.

Zudem verfügten die hessischen Kommunen über hohe Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit. Die Bedeutung von Unternehmensbeteiligungen für die hessischen Kommunen verdeutlicht beispielsweise unsere Betätigungsprüfung des kommunalen Wohnungsbaus. Bei zehn Kommunen wurden insgesamt 21 Wohnbauunternehmen untersucht. Hiervon schütteten lediglich vier Unternehmen an die Kommunen insgesamt 7,6 Millionen Euro pro Jahr durchschnittlich aus, wovon alleine Frankfurt 6,3Millionen Euro erhielt. Bei den von uns untersuchten zehn Kommunen hätten die Wohnbauunternehmen jährlich rund 17,2 Millionen Euro mehr ausschütten können. Davon entfallen 16,9 Millionen Euro auf die Stadt Frankfurt bzw. den ABG HOLDING Konzern.

Damit eine Kommune ihrer Steuerungsaufgabe für ihr Unternehmen gerecht werden kann, müssen die Entscheidungsträger valide Kenntnisse über die wirtschaftliche Lage des jeweiligen Unternehmens besitzen. Deswegen ist es notwendig, dass Aufsichtsratsmitglieder regelmäßig informiert werden. Neben den Abschlussprüfungen durch die Wirtschaftsprüfer stellen unsere Prüfungen Transparenz für die Kommunen her.

Wie sind die Ausgaben der hessischen Kommunen zu bewerten?

Auch bei den Ausgaben lagen die hessischen Kommunen 2017 mit 3.399 Euro je Einwohner über dem Durchschnitt der Flächenländer. Eine wesentliche Position sind die Personalausgaben mit 908 Euro je Einwohner. Im Jahr 2017 beliefen sich die Personalausgaben (Kernhaushalte und FEUs des Staatssektors) auf knapp 5,7 Milliarden Euro (Vorjahr: 5,4 Milliarden Euro). Die Personalauszahlungen sind in den letzten Jahren konstant gestiegen: von 52.000 Euro je Vollzeitstelle im Jahr 2013 auf 58.000 Euro im Jahr 2017. Zum 30. Juni 2017 arbeiteten insgesamt knapp 115.000 Personen in Voll- oder Teilzeit für die hessischen Kommunen.

Die demographische Entwicklung in Deutschland wirkt sich auch auf die Kommunen aus. In den nächsten 15 Jahren wird knapp die Hälfte der kommunalen Beschäftigten altersbedingt in den Ruhestand eintreten. Aus der Altersstruktur ergeben sich für die Kommunen sowohl Chancen als auch Risiken.

Chancen ergeben sich insbesondere für defizitäre Kommunen mit auffällig hohem Personalbestand. Diese Kommunen können durch die Nichtbesetzung frei werdender Stellen zur Konsolidierung des Haushalts beitragen. So zeigte unsere Personalmanagement-Prüfung allein bei 18 untersuchten Kommunen ein Optimierungspotenzial von 160 Vollzeitstellen bzw. rund zehn Millionen Euro jährlich.

Die Risiken liegen darin, qualifizierten Nachwuchs zu gewinnen und den Wissenstransfer sicherzustellen. Die höchste Fluktuation in den nächsten Jahren trifft die Kommunen Fränkisch-Crumbach (80 Prozent) und Bad Karlshafen (75 Prozent) – die beiden Kommunen haben lediglich zwischen 20 und 25 Beschäftigten.

Bei der Personalgewinnung stehen die Kommunen im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern aus dem privaten und öffentlichen Bereich. Wir empfehlen den Kommunen, ihre individuelle Altersstruktur zu analysieren und ihre Personalbedarfe darauf aufbauend zu definieren. Die Kommunen können zudem durch interkommunale Kooperationen, Aus- und Weiterbildung sowie IT-gestützte Prozessoptimierung der Fluktuation begegnen.

Ein weiteres Beispiel für die Begrenzung von Ausgaben ist die Deckelung der Zuschüsse an private Dritte. So hatten Nidderau und Niederdorfelden beispielsweise ihre Zuschüsse an private Kindergartenträger begrenzt. Niederdorfelden begrenzte seinen monatlichen Zuschuss an einen Träger auf 120 Euro monatlich je Platz bei maximal 65 Plätzen. Nidderau ging ähnlich vor und hatte für den Gesamtzuschuss an die externen Träger einen absoluten Höchstbetrag festgelegt. Insbesondere durch diese Begrenzungen sorgten die Kommunen für eine Kalkulierbarkeit des Haushalts und vermieden damit eine Kostenexplosion.

Investieren die Kommunen angemessen?

Die Sachinvestitionen der hessischen Kommunen lagen zwar mit 273 Euro deutlich unter dem Flächenländerdurchschnitt von 348 Euro je Einwohner. Die Frage nach der Angemessenheit der Investitionen lässt sich aber erst dann seriös beurteilen, wenn wir die Summe der Investitionen der Summe der Abschreibungen gegenüberstellen können. Flächendeckend ist die Ermittlung dieser Zahlen ohne Gesamtabschluss noch nicht möglich. Insofern kann auch keine Aussage hinsichtlich des Substanzverzehrs insgesamt getroffen werden. Nur wenn die Summe der Investitionen größer als die der Abschreibungen ist, kommt es nicht zu Substanzverzehr.

Da Wiesbaden seit 2012 einen Gesamtabschluss hat, können wir an diesem Beispiel die Frage des Substanzverzehrs erläutern: Stellt man die Netto-Investitionen in Sachanlagen in Relation zu den Abschreibungen, ergibt sich für 2016 eine Reinvestitionsquote von über 170 Prozent. Das heißt in Wiesbaden wird deutlich mehr investiert als abgeschrieben.

In den kommenden Jahren werden die kommunalen Investitionen aufgrund bereits beschlossener Investitionspakete voraussichtlich anwachsen. Die Kommunalinvestitionsprogramme (KIP I mit 725 Millionen Euro und KIP II mit 558 Millionen Euro) werden ihre volle Wirkung erst noch entfalten. Auch bei der Hessenkasse ist ein Investitionsprogramm von rund 630 Millionen Euro vorgesehen, um Kommunen, die nicht von der Entschuldung profitieren, auf Landeskosten Investitionshilfen zu gewähren. Wir empfehlen, Investitionen nur dann zu tätigen, wenn die Folgekosten richtig berechnet und dauerhaft finanziert werden können.

Wallmann fordert: „Mit Blick auf Generationengerechtigkeit muss der Erhalt der kommunalen Substanz das Ziel sein! Im Vorfeld jeder Investition ist eine angemessene Wirtschaftlichkeitsanalyse – unter Einbezug der Folgekosten – vorzunehmen! Die Ausgaben sind zu hinterfragen, nur positive Salden verschaffen Spielräume für die Zukunft. Angesichts der aktuell guten Zeiten müssen die Kommunen Risikovorsorge für schlechte Zeiten betreiben. Hilfreich dabei ist, dass die Gemeindeordnung ab dem 1.Januar 2019 vorsieht, dass die Kommunen einen Liquiditätspuffer (2 Prozent der durchschnittlichen laufenden Auszahlungen) aufbauen sollen.“

Was lässt sich noch von den geprüften Kommunen lernen? Lastenfairteilen

Die heterogene Ausgangslage zwingt die Kommunen zu kreativen Lösungen, die auch für andere Kommunen hilfreich sein können. So haben wir bei unserer Prüfung im Bereich Öffentlicher Nahverkehr kritische wie positive Beispiele gefunden, die uns für die kommunale Praxis nachdenkenswert erscheinen.

Garantiert mobil – auch im ländlichen Raum!

Gerade für den ländlichen Raum ist Mobilität ein wichtiges Thema. Ein positives Beispiel lieferte der Odenwaldkreis, der gemeinsam mit dem RMV, den Verkehrsunternehmen, den privaten Taxibetreibern und einzelnen Bürgern ein Modell entwickelt hat, das Mobilität auch in ländlicheren Gebieten sicherstellt. So wurden eine Website und eine App angeboten, bei der private und gewerbliche Mitfahrgelegenheiten (Rufbus, taxOmobil etc.) geordert und auch angeboten werden können. Dies bietet für den Bürger eine sichere und damit verlässliche Mobilität im ländlichen Raum selbst bis in die Randzeiten. Damit werden die Lasten zwischen Kommune, Verkehrsbetrieben und Bürgern fair verteilt.

Erst planen und schulen, dann fahren!

Im Main-Taunus-Kreis fanden auf einigen Linien lediglich 30 Prozent der ausgewiesenen Fahrten tatsächlich statt. Im Ergebnis wurden dadurch Schüler nicht zur Schule und Arbeitnehmer nicht an ihre Arbeitsstätte gebracht. Ursache hierfür waren Planungsfehler bei der Betriebsaufnahme und nicht hinreichend qualifiziertes Personal beim neuen privaten Verkehrsunternehmen. Die zu bedienenden Strecken waren den Fahrern teilweise nicht bekannt. Die kreiseigene Nahverkehrsorganisation führte erst nachdem die Verträge nicht erfüllt wurden, diverse Workshops mit den Verkehrsunternehmen durch. Dies sollte künftig jedoch vor Betriebsaufnahme geschehen.

Kommunalmonitor: Wo steht die einzelne Kommune im Landesvergleich?

Zusammenfassend lässt sich festhalten: die Kommunen sind heterogen. Unser Auftrag aus dem ÜPKKG ist es, die Kommunen vergleichend zu untersuchen. Das heißt aufzuzeigen, wo das beste praktische Beispiel besteht, an dem man sich orientieren kann. Die Kommunen sollen also die Möglichkeit haben voneinander zu lernen. Dies haben wir zum Anlass genommen, unseren Kommunalmonitor zu entwickeln, um damit die Unterschiedlichkeit im Detail zwischen den Kommunen aufzuzeigen. Der Kommunalmonitor ist eine interaktive Karte, in der für alle 423 hessischen Städte und Gemeinden (ohne Landkreise) relevante Strukturvariablen abgebildet werden wie

  • Finanzielle Leistungsfähigkeit: Finanzierungssaldo, Geldschulden;
  • Personal und Steuern: Stellen in der Gemeindeverwaltung, Hebesätze der Grund- und Gewerbesteuer;
  • Hinweise auf die letzten Vergleichenden Prüfungen der einzelnen Kommune und insbesondere
  • Kommunalstrukturen: Einwohnerzahl, Fläche, Altersstruktur, Siedlungsstruktur.

Den Kommunalmonitor finden Sie hierÖffnet sich in einem neuen Fenster. Er wird fortlaufend aktualisiert und erweitert.

Damit leistet der Kommunalmonitor etwas, was wir bei keiner Vergleichenden Prüfung leisten können: er bindet alle hessischen Städte und Gemeinden ein.

Wie lassen sich siedlungsstrukturelle Nachteile messen?

Ein wesentlicher Inhalt des Kommunalmonitors ist der von uns definierte und ermittelte Siedlungsindex jeder einzelnen Kommune. Dieser geht zurück auf unsere Prüfung der Siedlungsstruktur. Ausgangspunkt unserer Prüfung war die langjährige Diskussion, ob Unterschiede in der Siedlungsstruktur Auswirkungen auf die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Kommune haben können. Hier galt lange Zeit die unbelegte These: viele Ortsteile, lange Versorgungsleitungen, lange Gemeindestraßen und viele Dorfgemeinschaftshäuser führen zu hohen Haushaltsbelastungen. Mit unserer Prüfung wollen wir ein valides Zahlenmaterial liefern, auf dessen Grundlage politisch diskutiert werden kann, ob und wie gegebenenfalls ein fairer Ausgleich von siedlungsstrukturellen Nachteilen möglich ist.

Siedlungsstruktur ist ein mehrdimensionales Phänomen. Deswegen haben wir – gemeinsam mit dem Lehrstuhl von Prof. Lenk (Leipzig) – einen dreiteiligen Siedlungsindex entwickelt. Dieser umfasst

  • den Streuungsgrad der Siedlung (Verteilung der Ortsteile im Gemeindegebiet, Abstand zum nächsten Nachbarn),
  • den Grad der urbanen Durchdringung (Anteil Siedlungs- und Verkehrsflächen an der Gesamtfläche) und
  • die Ausnutzungsdichte (Anzahl der Einwohner und Arbeitsplätze bezogen auf die Siedlungs- und Verkehrsfläche).

Anhand der für alle hessischen Kommunen ermittelten Indizes haben wir vier Cluster gebildet (Cluster 1: zentriert – Cluster 2: eher zentriert – Cluster 3: eher zersiedelt – Cluster 4: zersiedelt)

Auf dieser Basis haben wir die oft diskutierten Parameter wie Fläche, Ortsteile, Bürgerhäuser etc. im Einzelnen analysiert. In folgenden Bereichen haben wir einen signifikanten, kausalen Zusammenhang zwischen der Defizithöhe und dem Siedlungsindex festgestellt:

  1. Feuerwehrgerätehäuser
  2. Gemeindestraßen
  3. Bürgerhäuser

Welche Belastungen ergeben sich für Kommunalhaushalte und Gebührenzahler?

Vergleicht man Cluster 2-Kommunen (eher zentriert) mit Cluster 4-Kommunen (zersiedelt), so weisen die Cluster 4-Kommunen einen höheren Fehlbetrag je Einwohner von 43,50 Euro jährlich für diese drei Bereiche aus.

Bei den Gebührenhaushalten Wasser und Abwasser stieg das Defizit nicht mit dem Siedlungsindex. Ursächlich dafür ist das Kostendeckungsgebot. Betrachtet man jedoch die von den Bürgern in den unterschiedlichen Kommunen zu zahlenden Gebühren, so zeigten sich belastbare Zusammenhänge zwischen Gebührenhöhe und Siedlungsstruktur.

Die kostendeckenden Gebühren für Abwasser und Wasser liegen bei eher zentrierten Gemeinden (Cluster 2) durchschnittlich bei 3,60 Euro (Abwasser) und 1,80 Euro (Wasser) je Kubikmeter. Sie liegen damit deutlich unter den Gebühren, die in zersiedelten Gemeinden (Cluster 4) mit 5,80 Euro (Abwasser) und 2,50 Euro (Wasser) je Kubikmeter anfallen. Auf ein Jahr hochgerechnet bedeutet das für eine Modellfamilie (2 Erwachsene, 2 Kinder) mit einem Gesamtverbrauch von 150 Kubikmeter Wasser alleine 105 Euro Mehrkosten bei den Wassergebühren und 330 Euro Mehrkosten beim Abwasser. Familien von zersiedelten Kommunen zahlen in Summe 435 Euro durchschnittlich mehr an Wasser- und Abwassergebühren gegenüber Familien in eher zentrierten Gemeinden.

Wie lassen sich diese Nachteile ausgleichen?

Im ersten Schritt sind die Kommunen gefordert, den Haushaltsausgleich zu erreichen beziehungsweise ihre Defizite zu begrenzen. Dabei stehen ihnen vielfältige Optionen zur Verfügung. Diese reichen von sparsamer Haushaltswirtschaft, wirtschaftlichem Personaleinsatz, kostendeckenden Gebühren bis hin zu Anreizen zu ehrenamtlichem Engagement.

Im zweiten Schritt ist auch das Land gefragt, ob und in welchem Umfang siedlungsstrukturbedingte Nachteile ausgeglichen werden sollen. Wir haben die aktuelle Förderpraxis für den ländlichen Raum unseren Ergebnissen gegenübergestellt. Bereits heute werden rund drei Viertel der (eher) zersiedelten Kommunen (Cluster 3 und 4) über den Kommunalen Finanzausgleich als ländlicher Raum gefördert.

Es gibt aber auch Ausnahmen. Die Kommunen südlich von Kassel sowie im nördlichen Rheingau-Taunus-Kreis sind überwiegend (eher) zersiedelt, erhalten aber keine Förderung. Dagegen werden Fulda und Umgebung als (eher) zentrierte Kommunen gefördert.

In unserer Prüfung zeigte sich das exemplarisch an den beiden Kommunen Heidenrod und Rockenberg. Heidenrod erhielt keine Förderung ländlicher Raum, Rockenberg dagegen schon. Während Heidenrod eine Gemeindefläche von rund 96 Qua­dratkilometern mit 7.900 Einwohner hat, verfügt Rockenberg mit 4.400 Einwohnern über eine Fläche von rund 16 Quadratkilometern. 19 Ortsteilen in Heidenrod stehen zwei Ortsteile in Rockenberg gegenüber. Heidenrod unterhält zwölf Feuerwehrgerätehäuser, Rockenberg zwei. Die Unterschiede spürt auch der Bürger unmittelbar: Die von uns definierte Modellfamilie hätte in Heidenrod für Wasser und Abwasser rund 1.600 Euro jährlich an Gebühren zu entrichten, die Familie in Rockenberg nur 1.020 Euro.

Keilmann regt an: „Das Land sollte künftig bei der Definition des ländlichen Raums auch auf den von uns entwickelten Siedlungsindex zurückgreifen. Es sollte prüfen, ob auch die zersiedelten Kommunen, die aktuell nicht in der Förderung „ländlicher Raum“ berücksichtigt sind, in die Förderung aufgenommen werden. Umgekehrt sollte auch überlegt werden, ob (eher) zentrierte Kommunen, die aktuell in der Förderung „ländlicher Raum“ berücksichtigt sind, aus dieser herausgenommen werden.“

Präsident Wallmann fasst zusammen: „Heterogene Kommunen brauchen individuelle Lösungen – Kommunen und Land sind gefordert:

  • Die Kommunen sollten die von uns aufgezeigten Potenziale auf der Aufwands- und Ertragsseite nutzen und Risikovorsorge betreiben.
  • Das Land sollte bedarfsorientiert fördern und fordern.
  • Insgesamt müssen die Lasten fair verteilt werden – zwischen Land, Kommunen und Bürgern. Hier ist auch die Solidarität der Kommunen untereinander gefragt angesichts der enormen Einnahmeunterschiede.“

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