Hessischer Rechnungshof

Haushalt zukunftsorientiert aufstellen

Präsident Dr. Walter Wallmann empfiehlt dem Land angesichts der künftig anstehenden Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung eine stärkere Schwerpunktsetzung auf die Kernaufgaben. Die Bemerkungen des Rechnungshofs geben auch in diesem Jahr beispielhaft Anregungen für wirtschaftlicheres und wirksames Verwaltungshandeln.

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Das Spektrum reicht von besserer Asservatenverwaltung bei den Staatsanwaltschaften, optimierte Flurbereinigungsverfahren, wirtschaftlicher Gefahrenabwehr durch die Polizei bis hin zu nicht genutzten Einnahmepotenzialen und baulichen Mängeln des Staatstheaters in Wiesbaden.

Status Quo der Landesfinanzen

Präsident Dr. Walter Wallmann stellte heute den jährlichen Bericht des Hessischen Rechnungshofs, die Bemerkungen 2018, vor. „Das Land hat auch 2018 von guten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen profitiert und konnte zum vierten Mal in Folge einen positiven Finanzierungssaldo erreichen. Dieser Überschuss belief sich auf rund 1,1 Milliarden Euro (Vorjahr: 511Millionen Euro). Der Rekordwert ist auf die gute Konjunktur, aber insbesondere auch auf geringere Zahlungen in den Länderfinanzausgleich zurückzuführen. Das Land hat den Überschuss genutzt, um insbesondere die Schulden am Kreditmarkt – wie im Vorjahr – um 200 Millionen Euro netto zu tilgen. Zudem wurde der Rücklagenbestand um 579 Millionen Euro aufgestockt. Die Rücklagen belaufen sich jetzt insgesamt auf rund 2,5 Milliarden Euro“, so Wallmann. Der Gesamtabschluss und der Lagebericht wurden uneingeschränkt vom Wirtschaftsprüfer testiert.

Der Schuldenberg der Vergangenheit ist noch lange nicht abgetragen!

Die Haushaltsschulden beliefen sich Ende 2018 immer noch auf rund 42,6 Milliarden Euro. Hinzu kommen insbesondere weitere Verbindlichkeiten beispielsweise aus dem Kommunalen Schutzschirm oder dem Entschuldungsprogramm Hessenkasse. Die Verbindlichkeiten aus Schutzschirm und Hessenkasse sind im Haushalt nicht erkennbar. Diese werden allerdings nachrichtlich in Anlage 9 zur Haushaltsrechnung als Verbindlichkeiten dargestellt. Infolge der „Hessenkasse“ stiegen allein diese Verbindlichkeiten des Landes gegenüber der WIBank um 4,8 Milliarden Euro an. Die Kommunen beteiligen sich an der Tilgung, indem sie 25 Euro pro Kopf und Jahr in ein Sondervermögen einzahlen. Wallmann erläutert: „Bei der Hessenkasse habe ich 2 Perspektiven: Als Rechnungshof haben wir natürlich die Landesfinanzen im Blick; wir haben schon bei der Anhörung zum Hessenkasse-Gesetz auf die höheren Verbindlichkeiten und deren mögliche Auswirkungen auf die Schuldenbremse hingewiesen. Das Finanzministerium hat auf unsere Empfehlung ein Rechtsgutachten zur Hessenkasse erstellt. Auch wir haben, um das zulässige Spektrum auszuloten, zwei Gutachten eingeholt. Dabei haben sich unterschiedliche Rechtsauffassungen gezeigt. Eine verbindliche staatsrechtliche Bewertung kann der Rechnungshof nicht vornehmen. Unabhängig von dieser rechtsdogmatischen Betrachtung raten wir dem Land, künftig auf Schulden außerhalb des Haushalts zu verzichten. Diese können faktisch zu einer Aushöhlung der Schuldenbegrenzungsregeln führen. Zudem werden künftige Generationen belastet. Als Präsident, dem auch die Überörtliche Kommunalprüfung obliegt, sehe ich die Hessenkasse hinsichtlich der Folgen für die Kommunen grundsätzlich positiv. Denn die Hessenkasse und die damit verbundene Rückführung der hohen Kassenkreditbestände führt zu Zurückgewinnung kommunaler Handlungsfreiheit. Dies war eine langjährige Forderung der Überörtlichen Prüfung, weil damit auch das hohe Zinsänderungsrisiko gerade bei den Kassenkrediten vermieden werden kann.“ Im Ergebnis verbleiben noch 2,6 Milliarden Euro, die das Land in den kommenden 30 Jahren zu tilgen hat. Wallmann betont: „Politisch pragmatisch gilt für jede Entschuldung: Wenn nicht in guten Zeiten beginnen, wann dann!“

Neben diesen Verbindlichkeiten bestanden Ende 2018 noch Pensionsrückstellungen in Höhe von fast 80 Milliarden Euro und Beihilferückstellungen in Höhe von fast 13Milliarden Euro. Deshalb weisen wir immer wieder darauf hin, dass das Land nicht nur an die laufenden Kosten seiner Beamten, sondern auch an die künftigen Verpflichtungen denken muss. Das Land hat seit dem Jahr 1999 eine Versorgungsrücklage als Sondervermögen eingerichtet. Ziel soll das Abfedern der künftigen Belastungen durch die Pensionen sein. In 2018 ist das Sondervermögen Versorgungsrücklage weiter angewachsen. Es summiert sich damit auf 3,3 Milliarden Euro. Wir haben für die Differenz zwischen Schulden bei den aktuellen und früheren Beschäftigten und dem hierfür angesparten Vermögen den Begriff der „Nachhaltigkeitslücke“ verwendet: Diese ist auch in 2018 weiter gestiegen auf jetzt 76 Milliarden Euro (im Vorjahr 70 Milliarden Euro). Langfristig muss diese „Nachhaltigkeitslücke“ deutlich verringert werden!“

Ist unser Haushalt für alle Generationen gerecht?

Wallmann betont: „Das negative Eigenkapital ist in 2018 auf rund 120 Milliarden angestiegen (Vorjahr: 111 Milliarden Euro). Dieser Anstieg zeigt, dass wir von einem generationengerechten Haushalt noch weit entfernt sind. Aber es ist wichtig, dieses Ziel anzustreben. Erträge und Aufwände sollen sich mindestens ausgleichen. Nur so wird ein Verschieben der Lasten auf künftige Generationen vermieden! Wenn es dann sogar irgendwann gelingen würde, Jahresüberschüsse zum Abbau des negativen Eigenkapitals zu nutzen, wäre der Gedanke der Nachhaltigkeit erfüllt.“

Haushaltsillusion vermeiden – Handlungsspielraum erkennen

Wichtig ist, dass wir angesichts der aktuell hohen Steuereinnahmen nicht zwei „Illusionen“ unterliegen: Erstens, der Illusion, dass die Steuerquellen unverändert und unendlich weitersprudeln. Die Wirtschaftsweisen prognostizieren ein sinkendes Wirtschaftswachstum. Zweitens, der Illusion, dass jeder eingenommene Euro frei verplanbar ist. Der tatsächliche finanzielle Handlungsspielraum fällt wesentlich geringer aus. In einer Grobbetrachtung stellen wir fest, dass alleine der Aufwand für Personal rund 18,7 Milliarden Euro beträgt. Angesichts von Steuererträgen in Höhe von rund 24,5 Milliarden Euro verbliebe ein Delta von 5,8 Milliarden Euro. Darin sind Zins- und Abschreibungsaufwand sowie bestehende vertragliche und sonstige fixe Verbindlichkeiten nicht einkalkuliert, so dass der eigentliche Gestaltungsspielraum noch geringer ausfiele. Und auch diese Aufwandspositionen können bzw. werden steigen: Wir erleben in 2018 und 2019 Personalzuwächse in der Landesverwaltung, die künftig zu höheren Personal- und Personalnebenkosten führen werden. Die Zinssätze müssen nicht immer auf dem aktuell niedrigen Niveau verharren. Und die notwendigen zukünftigen Investitionen werden zu höheren Abschreibungen führen. Es ist wichtig, dass sich das Land seiner Risiken sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Aufwandsseite bewusst ist.

Zukunftsorientierung durch politische Schwerpunktsetzung!

Das Land sollte auf ein altbewährtes Instrument zurückgreifen, um sich für die Zukunft aufzustellen: Wir raten zur konsequenten Aufgabenkritik. Auf der Aufwandsseite müssen alle Leistungen und Standards auf den Prüfstand gestellt werden. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass notwendige Investitionen in Bildung, Sicherheit und Infrastruktur (Wohnungen, Verkehr und Digitalisierung) nicht dem Rotstift zum Opfer fallen dürfen. Wir wissen um die Schwierigkeit, den Haushaltsausgleich künftig zu erreichen und gleichzeitig die für die Zukunft wichtigen Investitionen – und damit meine ich auch, „Investitionen“ in Personal und Know-How – zu finanzieren. Deshalb ist eine systematische Aufgabenkritik so notwendig. Wenn ich als Privatmann im nächsten Jahr mein Haus oder meine Wohnung renovieren muss, muss ich gegebenenfalls auf liebgewonnene Standards (wie Urlaubsreisen oder ein neues Auto) in diesem – und auch im nächsten – Jahr verzichten. Oder ich laufe Gefahr, mich zu verschulden. Wenn ich als Land – in Zeiten der Schuldenbremse – keine Möglichkeit habe, mich weiter zu verschulden und das auch politisch nicht will, gleichzeitig aber notwendige Investitionen in Bildung, Sicherheit und Infrastruktur anstehen, muss ich ebenfalls auf lieb gewonnene, aber vielleicht nicht unbedingt notwendige Standards verzichten. Das ist ein schmerzhafter Prozess. Aber er ist unumgänglich. “

Wo sieht der Rechnungshof Veränderungspotenzial im Landeshaushalt?

Unsere jährlichen Bemerkungen zeigen exemplarisch, wo und wie Verwaltungshandeln optimiert werden kann. Unsere Beispiele machen deutlich, wo Aufwand gesenkt, Erträge erhöht oder die Wirksamkeit der Verwaltung gesteigert werden können. Das Spektrum unserer Vorschläge reicht von besserer Asservatenverwaltung bei den Staatsanwaltschaften, optimierten Flurbereinigungsverfahren, wirtschaftlicher Gefahrenabwehr durch die Polizei bis hin zu nicht genutzten Einnahmepotenzialen und baulichen Mängeln des Staatstheaters in Wiesbaden. Außerdem hat unseres Erachtens der Bund die Kosten der Kampfmittelräumung vollständig zu tragen. Unsere Empfehlungen sollen Anlass für die politische Diskussion sein, um einen generationengerechten und zukunftsorientierten Haushalt zu erreichen.

Hessisches Staatstheater Wiesbaden – Verzicht auf Einnahmen trotz Sanierungsstau

Zweck des Staatstheaters Wiesbaden ist die Förderung und Pflege der Kultur. Im Jahr 2017 betrug der Gesamtaufwand des Staatstheaters 44 Mio. Euro. Diesen standen eigene Erlöse des Staatstheaters von 6,9 Mio. Euro u. a. aus Kartenverkauf, Vermietungen und Verpachtungen sowie Spenden gegenüber.

Trotz der geringen Einnahmen vergab das Staatstheater viele ermäßigte oder kostenfreie Eintrittskarten. 2017 war jede zehnte Karte reduziert oder kostenlos. Bei der alle zwei Jahre stattfindenden Biennale war es durchschnittlich sogar fast jede dritte Karte.

Auch die im Theatervertrag des Jahres 1963 je Spielzeit festgelegte Mindestzahl von 14 Konzerten im Kurhaus wurde mit durchschnittlich nur 8 Konzerten nicht erreicht. Hierdurch entgingen dem Staatstheater Einnahmen von geschätzt mindestens 100.000 Euro jährlich.

Gleichzeitig kämpft das Staatstheater mit erheblichen Mängeln und Schäden an baulichen und technischen Anlagen. Das Land hat als Eigentümer und Betreiber des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden zwischen 2001 und 2008 das Theater für rund 33 Mio. Euro teilsaniert. Die Sanierungsmaßnahmen erstreckten sich vor allem auf den Austausch der bühnentechnischen Anlagen, der Lüftungs- und Brandschutztechnik und die teilweise Erneuerung der Haustechnik. In den folgenden Jahren bis einschließlich 2017 hat das Staatstheater weitere Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Umfang von über 4 Mio. Euro durchgeführt.

Trotz dieser Sanierungen hat der TÜV Rheinland 2016 gravierende Mängel an der Lüftungsanlage und der Alarmierungsanlage sowie beim Brandschutz festgestellt. Als Sofortmaßnahme im Bereich des Brandschutzes wurden vom Staatstheater externe Brandwachen beauftragt. Dabei handelt es sich um Personen, die als Sicherheitsposten vor Ort eingesetzt werden. Im Jahr 2017 betrugen die Kosten hierfür rund 831.000 Euro.

Der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH) ermittelte in 2017, dass für die Substanzerhaltung und die Betriebsfähigkeit des Staatstheaters Sanierungsmaßnahmen u. a. in den Bereichen Zu- und Abwasserleitungen, Lüftungsanlagen, Bausubstanz, Gebäudetechnik, Elektrik und Hochwasserschutz notwendig seien. Die Kosten für die akut notwendigen Sanierungsmaßnahmen wurden – in einer ersten groben Schätzung ohne grundlegende Analyse – auf rund 34 Mio. Euro beziffert.

Das Staatstheater und der LBIH konnten dem Rechnungshof keine aktuellen Baupläne vorlegen. Nach den Teilsanierungen in den Jahren 2001 bis 2008 sind die Baupläne nicht aktualisiert und die Baubestandsdokumentation nicht gepflegt worden. Das heißt, die damaligen Sanierungen können heute nicht mehr vollständig nachvollzogen werden.

Wallmann mahnt: „Trotz der Sanierungsmaßnahmen in den letzten 20 Jahren für insgesamt 37 Mio. Euro weist das Staatstheater erhebliche Mängel und Schäden auf. Dies erfordert schnelle Maßnahmen, die natürlich eine Menge Geld kosten. Ohne aktuelle Baupläne und ein Sanierungskonzept können aber nur Übergangslösungen wie die externe Brandwache geschaffen werden, die wiederum sehr teuer sind. Dies ist auf lange Sicht nicht zielführend. Dass unsere Kritik nicht verhallt, zeigt die aktuelle Planung des Wissenschaftsministeriums. Aktuell sind umfangreiche Sanierungen der Staatstheater vorgesehen – hoffentlich auch für Brandschutz und Grundinstandsetzung. Vor allem in solchen Zeiten sollten alle Einnahmepotenziale ausgeschöpft werden und die Vergabe von vergünstigten oder sogar kostenfreien Tickets genau überprüft werden.“

Raumschießanlage – erst inspizieren, dann sanieren!

Das Spezialeinsatzkommando Frankfurt verfügt seit 2002 im Polizeipräsidium Frankfurt über eine 180-Grad-Raumschießanlage. Im Jahr 2013 nutzten Angehörige der Bundeswehr diese Anlage und verwendeten dabei bleihaltige Munition. Dadurch wurde die Anlage kontaminiert und musste wegen Gesundheitsgefährdung komplett gesperrt werden. Um die Kontamination zu beseitigen, wurde die Anlage vollständig gereinigt und der Geschossfang ausgetauscht. Erst dann stellte der Schießstandsachverständige der hessischen Polizei fest, dass die Anlage nicht den Anforderungen für den Schießbetrieb mit „scharfer“ Munition entsprach, da Stahlteile verbaut wurden, die nach seiner Einschätzung zu unkontrollierten Abprallern führen könnten. Erst anlässlich dieser Inspektion fiel auf, dass auch die Lüftungsanlage nicht mehr zulässig ist und Schießpulverrückstände zudem die Brandgefahr erhöhen. So konnte bis heute kein taktisches Training mit „scharfer“ Munition mehr stattfinden, da die Anlage für die Benutzung mit „scharfer“ Munition dauerhaft gesperrt wurde. Deshalb wichen die Spezialeinsatzkommandos seit 2013 auf externe Liegenschaften im In- und Ausland aus.

„Wir halten die Nutzung der Anlage durch andere Behörden im Rahmen von Kooperationen grundsätzlich für sinnvoll und mit Blick auf die Konzeption der eigenen Ausbildung auch für gewinnbringend. Das Verwenden von bleihaltiger Munition und die damit verbundene Kontamination der Lüftungsanlage sind jedoch nicht akzeptabel!“, so Wallmann. Die eingeschränkte Nutzbarkeit der 180-Grad-Raumschießanlage für das SEK und das damit verbundene Ausweichen auf externe Trainingsstätten kann kein Dauerzustand sein. Das Innenministerium sollte unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten entweder den Bau einer neuen Schießanlage in der Nähe Frankfurts erwägen oder die zeitnahe Instandhaltung und Erneuerung der bestehenden Anlagen veranlassen, um dort das Training mit „scharfer“ Munition zu ermöglichen. „Glück im Unglück ist, dass durch die notwendig gewordene Inspektion die Gesundheitsgefährdung erkannt wurde und künftige Schäden bei den hessischen Polizistinnen und Polizisten gebannt wurden!“

Asservatenverwaltung – Ein Fall für die Tonne?

Asservate sind insbesondere Tatwerkzeuge, Fahrzeuge, Betäubungsmittel und Waffen. Sie werden überwiegend von Polizeibehörden sichergestellt und den Staatsanwaltschaften als Beweismittel übergeben. Bei neun Staatsanwaltschaften und zwei Zweigstellen werden nach Schätzungen des Rechnungshofs jährlich rund 150.000 Gegenstände neu asserviert. Diese müssen aus strafverfahrensrechtlichen Gründen – teilweise über einen langen Zeitraum von bis zu 20 Jahren – in besonders gesicherten Asservatenräumen aufbewahrt werden. Dabei sind gefährliche Gegenstände so zu sichern, dass Bedienstete nicht gefährdet werden; beschlagnahmte Gegenstände müssen vor Verlust, Entwertung oder Beschädigung geschützt werden.

Tatsächlich lagerten die Staatsanwaltschaften die Betäubungsmittel jedoch teilweise in Umschlägen, Plastiksäcken oder Kunststoffbehältern, die überwiegend weder versiegelt noch verplombt waren. Teilweise waren die Plastiksäcke sogar beschädigt. Das derzeitige Lagerverfahren ermöglicht somit keine Kontrolle über den Bestand. Eine unbefugte Entnahme von Betäubungsmitteln kann nicht ausgeschlossen werden. Um die beschlagnahmten Betäubungsmittel sowie die asservierten Waffen zu vernichten, führten Justizbedienstete mehrmals im Jahr Sammeltransporte ohne besondere Sicherheitsmaßnahmen in Dienstfahrzeugen zum Hessischen Polizeipräsidium für Technik bzw. zu den Müllverbrennungsanlagen durch.

Der Rechnungshof empfiehlt, die Asservierung von Betäubungsmitteln sowie von Waffen bei den Staatsanwaltschaften aufzugeben. Die Betäubungsmittel und Waffen sollten bei der Polizei verbleiben und unmittelbar durch sie vernichtet werden, sofern Staatsanwaltschaft oder Gericht dies verfügen. Wallmann rät: „Betäubungsmittel sollten nur in versiegelten Verpackungen wie Gefäßen oder Boxen angenommen und sicher vor unbefugter Entnahme gelagert werden. Unnötige und zudem ungesicherte Transporte von Drogen oder Waffen stellen ein vermeidbares Risiko dar! Sie haben zu unterbleiben – im Sinne der Sicherheit, der Ökologie und der Ökonomie! Deshalb begrüßen wir es, dass das Justizministerium umgehend reagiert und eine entsprechende Handlungsanweisung erlassen hat.“

Neben Betäubungsmitteln und Waffen werden insbesondere auch Kraftfahrzeuge beschlagnahmt und bei den Staatsanwaltschaften asserviert. So waren mehr als hundert Autos entweder unentgeltlich auf Grundstücken der Polizei und der Justizvollzugsanstalt Wiesbaden oder kostenpflichtig bei Autohäusern, Abschleppunternehmen oder Werkstätten untergebracht. Dies verursachte Standkosten von bis zu 20 Euro pro Tag und Fahrzeug, die regelmäßig der Staatskasse zur Last fielen.

Die Standkosten überstiegen teilweise den Wert des jeweils beschlagnahmten Fahrzeugs deutlich. In solchen Fällen haben die Staatsanwaltschaften die Möglichkeit, die Notveräußerung anzuordnen und das Fahrzeug wirtschaftlich zu verwerten. Obwohl die rechtlichen Voraussetzungen vorlagen, wurde nur eingeschränkt von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Das Kostenrisiko von langen Standzeiten verdeutlichen folgende Beispiele:

Asservierung Scania Lastkraftwagen mit Aufleger (schlechter Zustand), Standkosten vom Juli 2015 bis Oktober 2017: 28.442 Euro; erzielter Erlös nach Versteigerung: 4.000 Euro;

Asservierung Citroen Xsara (schrottreifes Fahrzeug), Standkosten vom 17. Mai 2013 bis 18. Oktober 2016: 3.085 Euro; kein Erlös zu erzielen: 0 Euro.

Aus der Lagerung von asservierten Fahrzeugen resultierten nicht nur Kostenrisiken, sondern auch Umweltrisiken: Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden lagerte 31Fahrzeuge auf einer Wiese des Außengeländes der örtlichen Justizvollzugsanstalt. Während der zum Teil mehrjährigen Standzeit waren sie der Witterung ausgesetzt. Zudem war der Untergrund nicht gegen auslaufende Stoffe geschützt.

Wallmann empfiehlt: „Auch bei der Asservierung der Fahrzeuge ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Asservierung sollte zudem werterhaltend sein. Eine vermeintlich wirtschaftliche, weil unentgeltliche Lagerung darf nicht zu Beschädigungen der Fahrzeuge oder gar zu Umweltgefährdungen führen.“ Das Justizministerium hat auch hierzu eine einheitliche Handlungsanweisung erlassen, die insbesondere eine regelmäßige Prüfung der Verträge mit externen Dienstleistern sowie die konsequente Überwachung von Notveräußerungen und Verwertungen durch die Behördenleitungen sicherstellen soll.

„Unendliche“ Flurbereinigung – alles aus einer Hand?

Zur Verbesserung der Produktionsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie zur Förderung der Landentwicklung, der Dorferneuerung und des Umweltschutzes kann ländlicher Grundbesitz durch Maßnahmen nach dem Flurbereinigungsgesetz neu geordnet werden. Im Prüfungszeitraum 2010 bis 2016 förderte das Land Maßnahmen zur Neuordnung ländlichen Grundbesitzes mit durchschnittlich 4,5 Mio. Euro jährlich. Der Rechnungshof hat mit seinem Prüfungsamt 23 der 116 mit Zuwendungen geförderten Flurbereinigungsverfahren geprüft. Die Ämter für Bodenmanagement sind Antragsteller, Bewilligungsbehörde und Aufsichtsbehörde in einem. Somit kontrollieren die Ämter für Bodenmanagement ihr eigenes Handeln. Zudem war das Vier-Augen-Prinzip nicht durchgängig gewährleistet. Diese Prüfung ergab gravierende Mängel in der Verfahrensabwicklung. Eines der geprüften Verfahren wurde im Jahr 1970 begonnen; an den Zuwendungsempfänger wurden insgesamt rund 415.000 Euro gezahlt; das Verfahren ruht seit 1979. Unsere Prüfung zeigte, dass rund 100.000 Euro zuviel zugewendet wurden. Insgesamt dauerten die untersuchten Flurbereinigungsverfahren mehrere Jahrzehnte. Die langen Verfahrensdauern widersprechen dem Grundsatz des Flurbereinigungsgesetzes, wonach die Flurbereinigung als besonders vordringliche Maßnahme zu betreiben ist. Sie erschweren zudem die Rückforderung von zuviel geleisteten Zahlungen erheblich. Deshalb ist es gut, dass das Wirtschaftsministerium aktuell eine Verkürzung der Verfahren (Ziel 12 Jahre) anstrebt.

„Wir sehen in den Abläufen der Ämter für Bodenmanagement die Gefahr einer Interessenkollision und ein erhöhtes Korruptionsrisiko. Aufgrund der Vielzahl und Schwere der Mängel bestehen keine Möglichkeiten, durch eine Optimierung der gegenwärtigen Prozesse eine ordnungsgemäße und wirtschaftliche Verfahrens­abwicklung sicherzustellen. Eine grundlegende Änderung der Organisationsstruktur ist notwendig. Für den Betroffenen der Flurbereinigung sind Verfahren mit einer Laufzeit von mehreren Jahrzehnten, im Einzelfall bis zu 50 Jahren, unzumutbar! Bis so ein Verfahren abgeschlossen ist, wurde der Bauernhof möglicherweise bereits an die nächste Generation weitergegeben“, so Wallmann.

„Hessenstiftung – Familie hat Zukunft“, diese Stiftung auch?

Die „Hessenstiftung – Familie hat Zukunft“ wurde vom Land im Jahr 2001 als bürgerlich-rechtliche Stiftung mit einem Stiftungskapital von 10,2 Mio. Euro errichtet. Die Gründung war Teil der Zukunftsoffensive der Landesregierung, mit der auch die Familien- und Kinderfreundlichkeit gefördert werden sollte. Aufgabe der Stiftung ist es insbesondere, „Entwürfe gesellschaftspolitischer Rahmenbedingungen auf(zu)zeigen, die die Lust auf Familie fördern und sowohl wirtschaftspolitische als auch sozialpolitische Möglichkeiten zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbinden“.Der im Jahr 2001 allgemein formulierte Stiftungszweck wurde nicht in nachweisbare Ziele konkretisiert. Es ist daher weder möglich, den Erfolg der Tätigkeit der Stiftung zu messen noch ihre Wirkung zu analysieren. Vor der Gründung der Stiftung wurde keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt. Auch der Rechnungshof wurde nicht unterrichtet, obwohl es sich bei der Gründung der Stiftung um eine organisatorische Maßnahme von erheblicher finanzieller Tragweite handelte. Die Verwaltungslösung wäre im Vergleich zur Stiftungsgründung deutlich wirtschaftlicher gewesen. Die Stiftung hat keine Zustiftungen Dritter erhalten. Bei einem Großteil der geprüften Projekte waren zudem Mängel festzustellen. Für den Rechnungshof sind weder wirtschaftliche, sozio-ökonomische noch verwaltungsorganisatorische Gründe erkennbar, die eine Fortführung der Aktivitäten in der Rechtsform einer Stiftung rechtfertigen.

Die Stiftung schafft es ausweislich ihrer eigenen Berechnung seit zehn Jahren nicht, das Stiftungskapital real zu erhalten, das heißt die finanzielle Werthaltigkeit nimmt ab. Wallmann fasst zusammen: „Stiftungen müssen sich wirtschaftlich rentieren, sonst können sie ihre Zwecke nicht dauerhaft erreichen! Problematisch ist auch, dass durch Stiftungen dem Haushalt auf Dauer Mittel entzogen werden.“

Landesgartenschauen – Leistungen künftig im Wettbewerb vergeben

Seit 1992 fördert das Land die Organisation von Landesgartenschauen jeweils mit bis zu 3,3Millionen Euro. Die Städte gründeten hierfür jeweils Durchführungsgesellschaften. Als Voraussetzung für die Zuwendung mussten die ausrichtenden Städte die Fördergesellschaft Landesgartenschauen Hessen und Thüringen mbH an diesen Durchführungsgesellschaften beteiligen. Die Fördergesellschaft wurde anschließend ohne Wettbewerb mit Dienstleistungen beauftragt. Der Rechnungshof fordert, die Vorgaben zur Zusammenarbeit mit der Fördergesellschaft zu überarbeiten und künftig Leistungen im Wettbewerb zu vergeben. Der Rechnungshof erkennt die Erfahrungen der Fördergesellschaft bei der Planung und Organisation von Landesgartenschauen an. Dennoch hält er es für problematisch, der ausrichtenden Stadt die Zusammenarbeit mit der Fördergesellschaft verbindlich vorzuschreiben und zu einer Voraussetzung der Landesförderung zu machen.

Wallmann moniert: „Es kann nicht sein, dass die Städte den Landeszuschuss nur dann bekommen, wenn sie sich verpflichten, ein unternehmerisches Engagement mit der Fördergesellschaft einzugehen. Das widerspricht den marktwirtschaftlichen Wettbewerbsregeln und kann dazu führen, dass andere Anbieter benachteiligt werden. Ohne Wettbewerb wird sich nicht unbedingt das wirtschaftlichste Angebot durchsetzen. Wir begrüßen es, dass das Ministerium die Fördervoraussetzungen entsprechend überarbeiten wird. Dabei sollte das Augenmerk auch auf die Vergaben der Durchführungsgesellschaften an Gartenarchitektur- sowie Gartenbauunternehmen gerichtet werden.“

Grundwasserabgabe 2002 abgeschafft – Rücklage lebt weiter!

Nach dem Grundwasserabgabengesetz aus dem Jahr 1992 waren natürliche oder juristische Personen, die Grundwasser entnehmen, verpflichtet, eine Abgabe zu leisten. Die Abgabe bemaß sich nach der tatsächlich entnommenen Jahresmenge an Grundwasser. Die Grundwasserabgabe wurde Ende des Jahres 2002 aufgehoben. Die Landesregierung plante, die vorhandenen Mittel bis zum Jahr 2004 zu verbrauchen. Entgegen dieser Planung lag die Rücklage aus der Grundwasserabgabe Ende 2004 bei etwa 52 Millionen Euro. Und selbst Ende 2018 waren noch immer rund 10,5 Mio. Euro in der Rücklage.

Das Umweltministerium hat das selbstgesteckte Ziel einer vollständigen Verwendung der Mittel aus der Grundwasserabgabe bis Ende 2004 verfehlt. Eine konkrete Verwendungsplanung für die Rücklage liegt nicht vor. Der Rechnungshof hat im Rahmen seiner Prüfung vielfältige Verwendungsmöglichkeiten aufgezeigt. So wäre es beispielsweise 2016 möglich gewesen, Mittel aus der Grundwasserabgabe für das Förderprodukt „Sanierung der Waldbestände im Hessischen Ried“ zu verwenden. Im Haushaltsplan 2016 waren für dieses Produkt 1 Mio. Euro vorgesehen, wovon nur 1.000 Euro eingesetzt wurden. Die nicht verbrauchten Mittel in Höhe von 999.000 Euro wurden der neu gebildeten Rücklage „Hessisches Ried“ zugeführt. Wallmann kritisiert: „Es ist nicht nachvollziehbar, dass Haushaltsmittel verplant und nahezu vollständig einer Rücklage zugeführt werden, obwohl ausreichend zweckgebundene abgabefinanzierte Mittel zur Verfügung stehen. Wir erwarten, dass die Rücklage aus der Grundwasserabgabe zeitnah abgebaut wird.“

Kampfmittelräumdienst – Wer zahlt was und – vor allem – warum?

Die Kriegshandlungen während des Zweiten Weltkrieges haben zu umfangreichen Belastungen durch Kampfmittel geführt. Vorsichtige Schätzungen beziffern den Umfang der sogenannten „Blindgänger“ auf dem Gebiet des ehemaligen Deutschen Reiches zwischen 70.000 und 210.000 Tonnen. Diese Kampfmittel bergen bis heute erhebliche Gefahren. Das fachgerechte Entfernen und Entsorgen ist eine langfristige öffentliche Aufgabe, für die jedoch keine bundeseinheitlichen Rechtsvorschriften bestehen. Für die Finanzierung hat sich allerdings eine „Staatspraxis“ herausgebildet. Danach finanziert der Bund die Beseitigung ehemals „reichseigener“ Kampfmittel, die Länder finanzieren die Beseitigung alliierter Kampfmittel. Nach Auffassung des Bundesrats sollte der Bund die Finanzierung der Kampfmittelbeseitigung alleine tragen, weil es sich um Kriegsfolgelasten handelt. Der Bundesrat hat in der Vergangenheit Gesetzentwürfe für ein Rüstungsaltlasten­finanzierungsgesetz mit Zustimmung Hessens in den Bundestag eingebracht, zuletzt im März 2018.

Der Rechnungshof hält die alleinige Finanzierung durch den Bund für geboten und begrüßt, dass das Land Hessen dem Gesetzentwurf zugestimmt hat. Er schließt sich der Begründung des Gesetzentwurfs an. Demnach stellt die Beseitigung von Kampfmitteln Kriegsfolgelasten im Sinne des Art. 120 GG dar, die – dem Gesetzentwurf folgend – vom Bund getragen werden sollten. Um einer aktuellen Gesetzesinitiative Nachdruck zu verleihen, sollte der Bundesrat erwägen, Rechtsschutz vor dem Bundesverfassungsgericht zu prüfen. Die Landesregierung sollte eine entsprechende Vorgehensweise im Bundesrat anstoßen. Dies würde eine Entlastung des Landeshaushalts von rund 2,6 Mio. Euro jährlich bedeuten.

Unabhängig davon beabsichtigte die Landesregierung, die Kosten der Kampfmittelräumung in Privatwäldern aus Landesmitteln zu übernehmen, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt. Der einschlägige Erlass vom Mai 2015 blieb jedoch unveröffentlicht. Der Rechnungshof bittet das Innenministerium, den Erlass zu veröffentlichen und die Fördermittel allen Waldbesitzern zugänglich zu machen. Wallmann rät: „Hier sind Zusatzkosten gegen gesundheitliche Risiken abzuwägen. Und natürlich gehen Leben und Gesundheit vor!“

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