Die finanzielle Situation der hessischen Kommunen stellt sich aktuell wie folgt dar: Die Einnahmen stagnieren auf hohem Niveau und sind trotz jüngster positiver Steuerschätzung mittelfristig unsicher. Zeitgleich explodieren die Ausgaben. Hinzu kommt eine mancherorts marode Infrastruktur – insbesondere bei Schulen und Bauwerken. Die 4,7 Milliarden Euro von Bund und Land mildern zwar die Symptome in den nächsten Jahren. Sie helfen aber langfristig nicht. Im Gegenteil: Die Folgekosten der Investitionen schmälern den Handlungsspielraum der Zukunft! Deshalb ist jetzt eine langfristig tragfähige und zielgenaue Lösung zu suchen und schnell und konsequent anzugehen. Die Kommunen müssen unabhängig davon generell die Ausgestaltung ihrer Aufgabenwahrnehmung kritisch hinterfragen: „Was brauchen wir unbedingt?“ „Was gehört zu unserer kommunalen Identität?“ „Was erwarten Bürgerinnen und Bürger von „ihrer“ Kommune?“ Aber auch: „Was können wir uns langfristig leisten?“ und „Was müssen wir jetzt ändern, damit wir langfristig lebensfähige Kommunen mit wichtigen Dienstleistungen für Bürgerinnen, Bürger, Vereine, Unternehmen etc. haben?“ Aber auch für Bund und Land gilt: Wer bestellt, muss auch bezahlen!
Viele Kommunen können künftig nicht mehr alle Probleme alleine lösen und arbeiten heute schon über Gemeindegrenzen hinaus zusammen. Interkommunale Kooperationen werden künftig jedoch noch weiter intensiviert und ausgebaut werden müssen, gerade auch weil neben finanziell knappen Kassen Fachpersonal zur Erledigung auch grundlegender Aufgaben immer stärker fehlt. Auch freiwillige Gemeindefusionen werden daher mittelfristig nicht mehr vermeidbar sein. Der Rechnungshof und die Überörtliche Prüfung stehen hier als Partner der Kommunen gerne beratend zur Verfügung.
Der Kommunalbericht 2025 umfasst drei Haushaltsstrukturprüfungen sowie zwei Fachprüfungen. Insgesamt waren 71 kommunale Körperschaften in die Prüfungen einbezogen. Die in negativer Hinsicht „prominenteste“ Kommune war hierbei die Gemeinde Löhnberg, deren Situation in den vergangenen Monaten bereits die Medien beschäftigte. Das Volumen aller Prüfungen betrug rund sechs Milliarden Euro; die Summe der aufgezeigten Ergebnisverbesserungspotenziale belief sich insgesamt auf rund 35,1 Millionen Euro. Neben Analysen der Haushaltsstruktur werden im aktuellen Kommunalbericht vor allem Problemstellungen der IT-Sicherheit, die Unterbringung von geflüchteten Menschen sowie die Resilienz bei ausgewählten Kommunen thematisiert. Mit unseren Prüfungen wollen wir aufzeigen, wie gut die Kommunen auf besondere Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft vorbereitet sind.
Finanzierungsdefizit mehr als viermal so hoch wie im Vorjahr
Im Jahr 2023 lag das Finanzierungsdefizit in den kommunalen Kernhaushalten noch bei -597 Millionen Euro. In 2024 stieg es auf -2,6 Milliarden Euro.
Über 80 Prozent – und somit vier von fünf hessischen Kommunen – verzeichneten im Jahr 2024 ein Finanzierungsdefizit. Besonders augenscheinlich wird die Verschlechterung der Finanzsituation bei den Landkreisen: Kein einziger Landkreis konnte 2024 einen Finanzierungsüberschuss ausweisen.
Präsident Becker stellt klar: „Auch bundesweit zeigt sich diese negative Entwicklung: Für dieses Jahr wird mit einem kommunalen „Rekorddefizit“ von mehr als 30 Milliarden Euro gerechnet. In Hessen ist besonders die Finanzsituation der Landkreise alarmierend, die sich vor allem aus der Kreis- und Schulumlage finanzieren. Eine Erhöhung der Kreis- und Schulumlage wird sich auch in den Folgejahren auf die Finanzsituation der kreisangehörigen Städte und Gemeinden auswirken.“
Nach Schutzschirm und Hessenkasse spitzt sich die Situation der hessischen Kommunen jetzt wieder zu
Die Schuldenstände der hessischen Kommunen in den Kernhauhalten setzen sich zusammen aus Investitionskrediten und Liquiditätskrediten. Die Investitionskredite haben sich in den vergangenen fünf Jahren permanent erhöht. Zuletzt deutlich im Jahr 2024 um 1,1 Milliarden Euro auf insgesamt 16,3 Milliarden Euro zum Jahresende.
Die Liquiditätskredite konnten in der Vergangenheit durch große Eigeninitiative der Kommunen – und nicht zuletzt durch die Landes-Entschuldungsprogramme „Schutzschirm“ und „Hessenkasse“ – deutlich reduziert werden: In 2023 bis auf 70 Millionen Euro. Im Jahr 2024 stiegen die Liquiditätskredite sprunghaft auf 401 Millionen Euro an. Der Gesamtschuldenstand der Kernhaushalte betrug somit 16,7 Milliarden Euro (2023: 15,2 Milliarden Euro).
Präsident Becker betont: „Schulden sind nicht per se schlecht. Hier gilt es aber zwischen Investitionskrediten und Liquiditätskrediten zu unterscheiden. Investitionskredite sind im Unterschied zu Liquiditätskrediten durch materiell geschaffene Werte gedeckt. Sie dürfen grundsätzlich nur für Investitionen aufgenommen werden.
Diese Schulden sind jedoch nur die „Spitze des Eisbergs“: Die größten Teile der kommunalen Schulden sind auf den ersten Blick gar nicht sichtbar: Außerhalb des Kernhaushalts bestanden noch Schulden in den ausgelagerten Bereichen in Höhe von 43,5 Milliarden Euro. Dies entspricht fast dem Dreifachen der Kernhaushaltsschulden. Insgesamt betrugen die Schulden also fast 60,2 Milliarden Euro. Überdies bestanden weitere Eventualverbindlichkeiten beispielsweise aus Bürgschaften und kreditähnlichen Rechtsgeschäften in Höhe von 4,1 Milliarden Euro.“
Einnahmen minimal gestiegen
In Hessen lagen die bereinigten Einnahmen der kommunalen Kernhaushalte im Jahr 2024 bei 28,3 Milliarden Euro und waren somit um 600 Millionen Euro gestiegen. Nach wie vor sind die Steuereinnahmen die quantitativ bedeutendste Einnahmeart der Städte und Gemeinden. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer waren innerhalb Hessens sehr heterogen verteilt. Obwohl die Gewerbesteuer in Summe für die hessischen Kommunen die betragsmäßig bedeutendste Steuerart war, übertraf der den Kommunen zugewiesene Einkommensteueranteil im Jahr 2024 in 325 der 421 Städte und Gemeinden das Netto-Gewerbesteueraufkommen.
Präsident Becker warnt: „Gerade weil die Steuereinnahmen der hessischen Kommunen auch in diesem Jahr im Pro-Kopf-Vergleich wieder bundesweit die höchsten waren und auch die aktuelle Steuerschätzung positiv aussieht, sollte man sich der Risiken, die in ihnen schlummern bewusst sein: Zum einen sind die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sehr volatil und insbesondere von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Zum anderen sind auch die Einnahmen aus der Einkommensteuer nur bedingt lenkbar und auch nur scheinbar konstant. Die Kommunen sollten sich nicht auf dieser Einnahmeart ausruhen, denn aus demografischer Sicht birgt der Anteil der Einkommensteuer Risiken: In den kommenden Jahren treten viele Erwerbstätige in den Ruhestand. Mit dem Renteneintritt sinkt in der Regel das zu versteuernde Einkommen und damit sinken tendenziell die Einnahmen aus der Einkommensteuer.“
Ausgaben weiter gestiegen
Die bereinigten Ausgaben der kommunalen Kernhaushalte in Hessen sind im Jahr 2024 um 2,5 Milliarden Euro gewachsen – also vier Mal stärker als die Einnahmen. Sie lagen bei rund 31,2 Milliarden Euro. Die größten Ausgabenpositionen waren die Sozialleistungen mit 7,8 Milliarden Euro sowie die Personalausgaben mit 7,4 Milliarden Euro.
Becker mahnt: „Seit Jahren haben wir in Hessen kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem. Die Vielzahl der von den Kommunen wahrzunehmenden Aufgaben, aber auch die dabei teilweise selbst gesetzten Standards, beispielsweise in den Bereichen Kinderbetreuung, führen zu sehr hohen Ausgaben und damit zu einem deutlichen Defizit. Die Kommunen sollten daher die Ausgestaltung ihrer Aufgabenwahrnehmung kritisch hinterfragen. Zugleich sollten auch die EU, der Bund und das Land die an die Kommunen gestellten Anforderungen und Standards auf den Prüfstand stellen. Hier gilt das Prinzip: Wer bestellt, muss auch bezahlen!“
Nicht nur finanziell stehen die Kommunen vor großen Herausforderungen. Äußere Bedrohungen wie Cyberangriffe, zunehmende Naturkatastrophen aber auch die Unterbringung von Geflüchteten beschäftigen die Rathäuser und Kreisverwaltungen in hohem Maße.
Unterbringung von geflüchteten Menschen
Die Unterbringung von geflüchteten Menschen ist seit über zehn Jahren eine Herausforderung für Land und Kommunen. Die Landkreise sind als Träger von Ausländer- und Sozialbehörden, von Jugendämtern und Jobcentern sowie im schulischen Bereich in vielen Handlungsfeldern tätig und verantwortlich.
Das Land hat in den letzten Jahren Maßnahmen ergriffen, um die Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten zu entlasten. Im Jahr 2023 stellte das Land angesichts der weiter stark anhaltenden Flüchtlingszahlen den Kommunen zusätzliche 50 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt zur Deckung flüchtlingsbezogener Ausgaben bereit.
Durch eine Verfügung des Innenministeriums im Februar 2024 wurden Geflüchtete mit ungeklärter Bleibeperspektive nicht mehr den Kommunen zugewiesen. Diese mussten keine Kapazitäten für die Unterbringung und sonstige Unterstützungen für diesen Personenkreis mehr zur Verfügung stellen. Außerdem wurde rückwirkend zum 1. Januar 2024 die monatliche Pro-Kopf-Pauschale für Asylsuchende um zehn Prozent erhöht. Weiterhin wurde mit den kommunalen Spitzenverbänden vereinbart, die Pauschalen jährlich um 1,5 Prozent anzuheben.
Daher regt Präsident Becker an: „Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Anzahl der unterzubringenden Geflüchteten mitunter stark schwankte und nicht planbar war. Die Unterbringung dieser Menschen belastet die ohnehin schon angeschlagenen kommunalen Haushalte zusätzlich. Daher sollten die Kommunen Verträge zur Unterbringung möglichst flexibel ausgestalten, um auf ein sich veränderndes Fluchtgeschehen reagieren zu können. Das Land hat gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und meinem Haus hierfür Prognosemodelle entwickelt, die den Kommunen bei der Planung des Kapazitätsbedarfs helfen sollen. Wir haben zudem mit den kommunalen Spitzenverbänden über Möglichkeiten zur Ermittlung der tatsächlichen Kosten je geflüchteter Person diskutiert.“
Unterschiedliche Erstattungsregelungen bei der Aufnahme von Geflüchteten
In unseren Prüfungen untersuchten wir, inwieweit die Städte und Gemeinden von den Landkreisen in die Unterbringung geflüchteter Personen wirtschaftlich und organisatorisch eingebunden waren. Dabei zeigte sich einerseits, dass einige der geprüften Kommunen die Gesamtkosten aufgrund heterogener bzw. teilweise auch fehlender Zuordnung und Verbuchung aller Aufwendungen und Erträge nicht eindeutig beziffern konnten. Dadurch war nicht erkennbar, ob die Erstattungspauschalen des Landkreises tatsächlich kostendeckend waren.
Andererseits zeigten sich bei den Landkreisen Unterschiede hinsichtlich der Unterbringung und der Betreuung von Geflüchteten. Auch die an die Kommunen gezahlten Erstattungspauschalen waren unterschiedlich: Diese lagen zwischen neun Euro und zwölf Euro je geflüchteter Person pro Tag. Interessanterweise bestanden selbst innerhalb der einzelnen Landkreise unterschiedliche Regelungen.
Präsident Becker empfiehlt: „Die Landkreise sollten eine einheitliche Regelung mit ihren kreisangehörigen Kommunen zur Kostenerstattung schaffen. Um die tatsächlichen Kosten eindeutig und transparent beziffern zu können, müssen die Kommunen konsequent ihre Kosten sachgerecht zuordnen und verrechnen. Auf dieser Basis können die Kommunen dann mit dem Land auch über eine eventuelle Anpassung der Erstattungspauschalen diskutieren.“
Handlungsbedarf bei IT-Sicherheit
Die IT-Sicherheit spielt eine zentrale Rolle in kommunalen Verwaltungsabläufen und stellt deshalb eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Wir untersuchten die IT-Sicherheit anhand eines Reifegradmodells, das auf Standards des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik – kurz BSI – basiert. Zwar waren einige Kommunen in einzelnen Prüffeldern gut aufgestellt: So erreichte beispielsweise Maintal die maximale Punktzahl im Prüffeld der Vorkehrungen gegen Bedrohungslagen und Cyberangriffe. Dennoch bestand bei allen geprüften Kommunen grundsätzlich Nachholbedarf. Keine erreichte den erstrebenswerten BSI-basierten-Gesamtreifegrad von 4 oder 5 Punkten.
Präsident Becker betont: „Erfreulicherweise werden Verwaltungsdienstleistungen von Kommunen zunehmend digitaler. Auch die Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürgern findet immer öfter online statt. Damit öffnen sich aber auch zusätzliche Einfallstore für Cyberkriminelle. Die Auswirkungen eines erfolgreichen Cyber-Angriffs können nicht nur finanziell schmerzhaft sein, sondern auch das Vertrauen der Bürger in die Verwaltungsdigitalisierung schädigen. Daher sind effektive IT-Sicherheitsmaßnahmen essenziell, um öffentliche Dienstleistungen zuverlässig, sicher und im Interesse der Bürger bereitzustellen. Auch diese Aufgabe müssen Kommunen aber nicht alleine lösen. Insbesondere kleineren Kommunen empfehlen wir seit Jahren die Interkommunale Zusammenarbeit bei der Bewältigung der Digitalisierungsaufgaben. Auch der Bereich der IT-Sicherheit bietet ein geeignetes – aber auch wichtiges – Feld der Gemeindegrenzen übergreifenden Zusammenarbeit.“
Resilienz – Zivilschutz an Schulen
In den letzten Jahren hat sich die Anzahl von Krisen mit Relevanz für die stetige Aufgabenerfüllung der Kommunen deutlich erhöht. In unserer Prüfung haben wir analysiert, wie die Landkreise auf besondere Herausforderungen vorbereitet sind. Hierzu haben wir in einer gemeinsamen Prüfung mit dem Ukrainischen Rechnungshof den Zivilschutz an Schulen untersucht. Es zeigten sich insbesondere Defizite bei den Schutzräumen in Hessen. Nachholbedarfe bestanden zudem bei der Notstromversorgung sowie bei Alarmierungssystemen. Hingegen war der Brandschutz von den Landkreisen flächendeckend umgesetzt.
Präsident Becker stellt klar: „Während Russland bereits den Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hatte, waren für uns in Hessen zunächst immer noch die Entspannungsjahre nach dem Ende des Kalten Kriegs prägend. Dadurch lagen für diese Prüfung unterschiedliche Ausgangsbedingungen vor. Die Aussetzung der Wehrpflicht und der Abbau von Schutzräumen in den letzten Jahrzehnten sind Ausdruck einer sogenannten Friedensdividende. Deshalb wird diese Entwicklung aus unserer Sicht nicht negativ bewertet. Allerdings muss die von uns festgestellte Situation zum Anlass genommen werden, jetzt zeitnah bedarfsgerecht und wirtschaftlich zu investieren. Die ukrainischen Erfahrungen können – gerade auch weil wir uns nicht im Krieg befinden – für Hessen sehr nützlich sein. Schutzmaßnahmen sind nicht nur im Hinblick auf einen Kriegsfall notwendig, sie schützen vor allem auch im Krisen- oder im Amokfall.“
Eklatante Missstände in Löhnberg bereits seit 2019 bekannt
Die Gemeinde Löhnberg war bereits Thema im Kommunalbericht 2019. Schon damals wurden erhebliche Problemfelder identifiziert: Löhnberg hatte – trotz Entschuldungshilfen durch den Kommunalen Schutzschirm (rund 4,8 Mio. Euro) und Hessenkasse (rund 9,0 Mio. Euro) – den höchsten Schuldenstand im Vergleich (8.342 Euro je Einwohner). Die Kommune verfügte schon damals zu keinem Zeitpunkt über ausreichend liquide Mittel, um eine stetige Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Die Jahresabschlüsse 2013 und 2014 waren unvollständig, weil wesentliche Jahresabschlussbuchungen, Anhang und Rechenschaftsbericht fehlten, während die Jahresabschlüsse 2015 bis 2017 erst gar nicht aufgestellt waren.
Finanzielle Risiken wurden systematisch in die Zukunft verschoben, um gegenwärtig wirtschaftliche Spielräume zu schaffen.
Im September 2023 stand die Gemeinde vor der Zahlungsunfähigkeit. Der Bürgermeister legte in der Folge sein Amt nieder. Ein Staatsbeauftragter wurde ein- und Neuwahlen angesetzt. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte die noch vorhandenen Akten und leitete Ermittlungen ein. Parallel dazu versuchten wir, belastbare Daten für die aktuelle Prüfung zu erheben und mit der Gemeindeverwaltung abzustimmen. Das gelang nur sehr bedingt. Die nicht belastbare Datenlage konnte allerdings auch durch den Staatsbeauftragten vor Ort zusammen mit der Gemeindeverwaltung in sechs Monaten nicht aufgehellt werden. Insofern bleibt das Ergebnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen abzuwarten.
Dennoch waren folgende Grobstrukturen erkennbar: Systematisch wurden insbesondere Immobilien aus dem Kernhaushalt der Kommune in externe Gesellschaften oder Beteiligungen ausgelagert. Die Beteiligungen der Gemeinde Löhnberg, wie die Wohnungsbaugesellschaft Löhnberg mbH und die Löhnberger Energiegesellschaft mbH, wiesen strukturelle Defizite auf. Zwischen 2019 und 2021 waren außerordentliche Aufwendungen von rund 650.000 Euro durch die Gemeinde notwendig, um die Verluste auszugleichen.
Die Auslagerungen von Bilanzwerten in Höhe von 16,4 Millionen Euro, bei einer noch vorhandenen Bilanzsumme von 47,5 Millionen Euro der Gemeinde zum Stichtag 31. Dezember 2021, erschwerte eine klare Darstellung der Vermögens- und Ertragsverhältnisse. Darüber hinaus fehlten die Beteiligungsberichte für die Jahre 2021 bis 2023.
Auch die finanzielle Lage der Gemeinde selbst war desolat. Die Buchführung war sowohl im Kernhaushalt als auch in den Beteiligungen intransparent und unvollständig. Die Gemeinde stellte im gesamten Prüfungszeitraum keine prüffähigen Jahresabschlüsse auf, was den Grundsätzen einer geordneten Haushaltswirtschaft widerspricht. Obwohl wir bereits im Rahmen der vorherigen Prüfung in 2019 die Notwendigkeit einer Aufarbeitung von Aufstellungsrückständen festgestellt hatten, kam die Gemeinde Löhnberg bis zur drohenden Zahlungsunfähigkeit im September 2023 dieser Verpflichtung weiterhin nicht nach.
Der Leiter der Überörtlichen Prüfung, Dr. Keilmann, mahnt: „Das Beispiel Löhnberg zeigt: Wegschauen löst keine Probleme! Zahlungsunfähigkeit ist kein plötzlicher Schock, sondern das Ergebnis versäumter Reaktionen auf bekannte Warnsignale. Wir fordern, unsere Prüfungsempfehlungen umzusetzen und die Haushalte frühzeitig zu konsolidieren, um wirksamer, effektiver und effizienter agieren und solchen negativen Szenarien entgegengetreten zu können. Der Fall Löhnberg sollte für uns alle ein mahnendes Beispiel sein: Ich kann nur aus 2019 wiederholen: Bitte nicht nachmachen!“
Gravierende Missstände auch in Kirchheim
Die Gemeinde Kirchheim führte seit 1998 den Eigenbetrieb „Gemeindewerke Kirchheim“. Zu diesem Eigenbetrieb gehören die Wasserversorgung, Abwasserversorgung, Energieversorgung sowie ein Freibad und Naturpark. Im Jahr 2009 wurden den Gemeindewerken weitere Immobilien übertragen. Die Bilanzsumme belief sich zum 31. Dezember 2015 auf rund 41 Millionen Euro. Im Vergleich hierzu betrug die Bilanzsumme der Gemeinde Kirchheim selbst zum 31. Dezember 2016 lediglich rund 16 Millionen Euro.
Bei unserer Prüfung bestätigten sich die von der Kommune bereits öffentlich gemachten Missstände: Ab 2016 lagen keine geprüften Jahresabschlüsse der Gemeindewerke vor. Die Abschlussprüfung wurde von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aufgrund fehlender Belege und unzureichender Dokumentationen abgebrochen. Seit 2016 wurden zudem die Vorschriften des Eigenbetriebsgesetzes, der Eigenbetriebssatzung und der Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff nicht eingehalten. Notwendige Belege und Dokumentationen lagen ab diesem Zeitpunkt nicht abschließend vor.
Darüber hinaus wurden wesentliche Prozesse über die Finanzsoftware der Gemeinde abgewickelt statt eigenständig im Eigenbetrieb. Dies führte dazu, dass unter anderem Einnahmen aus Mieten im Gemeindehaushalt gebucht, dann storniert und anschließend im Eigenbetrieb gebucht wurden.
Aufgrund der festgestellten erheblichen Mängel beschloss die Gemeindevertretung, den Eigenbetrieb zum 31. Dezember 2025 aufzulösen. Die Gemeinde ist aktuell intensiv mit der Aufarbeitung beschäftigt.
Dr. Keilmann weist darauf hin: „Wir sehen bei den Gemeindewerke Kirchheim, dass ein Verrechnungssystem aufgebaut wurde, das es aufgrund mangelnder Belegdokumentation nicht ermöglichte, die Rechnungslegung nachzuvollziehen. Diese Probleme beim Eigenbetrieb wirkten sich auch auf die Jahresabschlüsse der Gemeinde aus. In Kirchheim gilt es, diese Missstände in Abstimmung mit der Revision weiter aufzuarbeiten, auch um zeitnah eine Grundlage für die noch aufzustellenden Jahresabschlüsse der Gemeinde zu schaffen. Diesen Bedarf hat die Gemeinde zwischenzeitlich aber auch erkannt. Wir wollen sie dabei unterstützen.
Ausblick
Präsident Becker warnt: „Auch wenn die aktuelle Steuerschätzung für die Jahre bis 2029 überraschend positiv aussieht, stehen die Kommunalfinanzen weiterhin unter dem Eindruck eines fortdauernden Krisenumfelds. Dies verringert die Handlungsspielräume der Kommunen drastisch. Der weitere Aufbau von Liquiditätskrediten ist unbedingt zu vermeiden. Die zusätzlichen Zinsbelastungen, Zinsänderungsrisiken sowie der nachfolgende Abbau der Liquiditätskredite können ansonsten zu einer Vorbelastung kommender Haushalte werden. Auch und insbesondere in Krisenzeiten gilt es, solidarisch zu sein aber auch zu priorisieren und nötigenfalls Konsolidierungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Kommunen sollten generell die Ausgestaltung ihrer Aufgabenwahrnehmung kritisch hinterfragen. Aber auch für Bund und Land gilt: Wer bestellt, muss auch bezahlen!“
Land und Kommunen haben im Jahr 2025 einen Zukunftspakt ins Leben gerufen, um die finanzielle Handlungsfähigkeit zu sichern und künftigen Belastungen vorzubeugen. Wesentliche Ziele sind:
- Nachhaltige Verbesserung der kommunalen Finanzen durch gezielte Ausgleichsmaßnahmen und das Investitionsprogramm des Bundes.
- Effiziente Umsetzung des Bundes-Investitionsprogramms auf Landes- und Kommunalebene, um Mittel zügig einzusetzen und die Wirkung vor Ort sicherzustellen.
- Abbau von Bürokratie und überflüssigen Standards, um Verwaltungsprozesse zu verschlanken und Handlungsspielräume zu vergrößern.
- Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung mit dem Ziel, langfristig Wirtschaftswachstum anzustoßen und die Lebensqualität zu sichern.
Präsident Becker erklärt hierzu: „All das sind wichtige Ziele. Besonders gilt aber, dass die Investitionen, die jetzt mit zusätzlichem Geld aus dem Investitionsprogramm getätigt werden, auch zusätzlich sein müssen. Sonst würde das, was ohnehin schon vorgesehen ist, nur ersetzt. Es würde nicht die Impulse gegeben, die wir uns für Wirtschaft und das Wirtschaftswachstum versprechen. Die Auszahlungen sollten auch nicht konsumtiv sein. Die Investitionen müssen nachhaltig und somit langfristig wirken. Das haben die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder kürzlich in ihrer Kieler Erklärung so formuliert.
Gesunde Finanzen sind kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für den Fortbestand des demokratischen Gemeinwesens.“