Dank der 1,2 Milliarden Euro Gewerbesteuerkompensation von Bund und Land verzeichneten die hessischen Kommunen insgesamt einen Überschuss von 295 Millionen Euro. Dabei kam es aber auch zu Überkompensationen in Millionenhöhe. Bei der Betrachtung der Großstädte fällt auf, dass Frankfurt jahrelang bei Rekordeinnahmen auch Rekordausgaben tätigte und drohende Defizite nur durch Griffe in die Rücklage ausgleichen konnte. Damit lebt die Stadt seit Jahren von der Substanz. Der demografische Wandel bedroht insbesondere die Kommunen im ländlichen Raum. Deshalb haben wir in diesem Jahr einen besonderen Fokus auf die Folgen des demografischen Wandels und die damit verbundenen Risiken für Versorgung, Infrastruktur und Personal in den Verwaltungen gelegt.
„Auch im zweiten Krisenjahr der Corona-Pandemie stehen die Kommunen immer noch vor großen Herausforderungen“, stellt Wallmann vorab fest. „Aufwendungen müssen gegebenenfalls an gesunkene Erträge angepasst werden. Um einnahmenschwächere Haushalte ausgleichen zu können, sollten selbstgesetzte Standards hinterfragt sowie Chancen der Interkommunalen Zusammenarbeit und der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen genutzt werden. Unsere Empfehlungen zeigen Optimierungspotenziale und geben Hinweise für eine wirtschaftlichere Haushaltsführung. Diese sollen den Kommunen insbesondere bei der Bewältigung der Krisenfolgen helfen.“
Haushaltsüberschüsse durch Kompensationszahlungen?
Trotz pandemiebedingter Einbrüche bei den Gewerbesteuern erzielten die hessischen Kommunen 2020 einen Finanzierungsüberschuss von insgesamt 295 Millionen Euro. Dabei erreichten 275 Kommunen einen positiven Finanzierungssaldo, 169 Kommunen wiesen ein Defizit auf. Ohne die Gewerbesteuerkompensationen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro des Bundes und des Landes wäre jedoch ein Minus von 918 Millionen Euro entstanden.
Unsere Prüfungen zeigen, dass die Kommunen unterschiedlich von den Corona-Hilfen profitierten. Bei einer Betrachtung in einem vorläufigen Plan-Ist-Vergleich wiesen beispielsweise Calden und Cölbe nach der Kompensationszahlung noch ein rechnerisches Minus von jeweils über einer halben Million Euro auf. Hingegen erhielten Gründau und Melsungen jeweils über 2Millionen Euro mehr als sie ursprünglich – also vor der Pandemie – geplant hatten. Ebenso gab es Kommunen, die sogar höhere Gewerbesteuereinnahmen verzeichneten als geplant und zusätzlich noch Kompensationszahlungen erhielten (bspw. Bebra und Volkmarsen). Vergleicht man das Ist-Aufkommen zeigt sich, dass 141 der 422 Städte und Gemeinden – bereits ohne Kompensationszahlungen – höhere Gewerbesteuern im „Krisenjahr“ 2020 eingenommen haben als in 2019.
Festzustellen ist, dass einige Kommunen von den Ausgleichszahlungen ungleich mehr als andere profitierten und auch etwaige Defizite in anderen Ertragsarten noch kompensieren konnten, wie beispielsweise bei der Einkommensteuer, Eintrittsgeldern oder Gebühren. Eine nachträgliche Spitzabrechnung, also eine eventuelle Rückzahlung von Überkompensationen oder zusätzlicher Ausgleich von noch bestehenden Defiziten, ist nicht vorgesehen. Wallmann gibt zu bedenken: „Planungssicherheit in der Krise ist gut, aber es sollte nicht zu Überkompensationen führen. Hier erwarten wir vom Land, einen Mechanismus zu entwickeln, dies künftig zu vermeiden. Zudem appellieren wir an die Solidarität zwischen den Kommunen.“
Deutlich gestiegene Schulden, aber auch gestiegene Investitionen
Im Jahr 2020 stiegen über alle Kommunen betrachtet die Geldschulden auf 13,8 Milliarden Euro (2019: 13,0 Milliarden Euro). Pro Kopf waren das insgesamt 2.197 Euro. Ursächlich hierfür waren die um rund 700 Millionen Euro gestiegenen Investitionskredite.
Die Kassenkredite hatten 2020 einen Anteil von insgesamt 3,7 Prozent an den Kernhaushaltsgeldschulden. Acht Kommunen hatten zum Ende 2020 Kassenkredite von über 300 Euro je Einwohner.
Die Investitionsausgaben sind im Vergleich zum konjunkturell sehr guten Vorjahr 2019 auf 2,6Milliarden Euro gestiegen – auch bedingt durch die staatlichen Hilfen. Trotzdem lagen die Investitionen in Hessen mit 409 Euro unter dem Flächenländer-Durchschnitt von 501 Euro je Einwohner.
Erfreulich ist, dass sowohl alle fünf Großstädte als auch fast alle Landkreise in den Jahren 2020 bis 2024 von positiven Nettoinvestitionen ausgehen – das bedeutet mehr Investitionen als Abschreibungen.
Wie sieht es bei den Großstädten aus?
Die Großstädte hatten 2020 insgesamt einen Finanzierungssaldo von -29 Millionen Euro – gegenüber -195 Millionen Euro in 2019. Das Spektrum reichte von -170 Millionen Euro in Frankfurt bis 103 Millionen Euro in Kassel.
Auch bei den Großstädten sind Ungleichheiten in den Kompensationen der Gewerbesteuerausfälle zu beobachten. So wiesen Darmstadt, Kassel und Wiesbaden Überkompensationen auf. Dagegen genügten die Mittel in Frankfurt und Offenbach nicht, um die Gewerbesteuerausfälle auszugleichen. Vor allem Frankfurt fällt hierbei auf. Die Stadt generierte vor der Krise mit über 2 Milliarden Euro die höchsten Gewerbesteuererträge in Hessen. Folglich erhielt sie mit rund 440 Millionen Euro auch den größten Anteil der Kompensationsmittel. Dies entsprach einem Drittel der gesamten Kompensationsmittel von rund 1,2 Milliarden Euro. Dennoch konnte damit das im Plan-Ist-Vergleich auftretende Minus bei der Gewerbesteuer von 639 Millionen Euro nicht vollständig ausgeglichen werden.
Frankfurt lebt von der Substanz
Frankfurt wies in der Gewinn- und Verlustrechnung in drei von fünf geprüften Jahren Defizite auf, die sich insgesamt auf über 300 Millionen Euro summierten. Diese Defizite glich Frankfurt durch Zugriffe auf die Rücklage jeweils aus. Bemerkenswert ist, dass dies in „guten Jahren“ geschah: 2017 bis 2019 waren Jahre vor der Corona-Pandemie mit vergleichsweise hohen Steuererträgen.
Der Rücklagenbestand in Frankfurt belief sich Ende 2020 noch auf 372,7 Millionen Euro. Damit hat er sich seit 2016 mehr als halbiert. Ausweislich des Finanzstatusberichts 2021 ist von einem deutlichen Abschmelzen der Rücklagenbestände auszugehen. Die für 2021 bis 2024 geplanten ordentlichen Ergebnisse liegen bei -235,5 MillionenEuro.
Wallmann kritisiert: „In diesen wirtschaftlich guten Jahren wurden Aufwendungen getätigt, die selbst mit diesen hohen Erträgen nicht gedeckt werden konnten. Mit Investitionen, Personalaufbau und hohen selbstgesetzten Standards wurden finanzielle Belastungen für künftige Haushalte geschaffen, die selbst unter glänzenden konjunkturellen Rahmenbedingungen nicht getragen werden konnten. Frankfurt lebt damit von seiner Substanz. Um die Pandemie und ihre Folgen zu kompensieren, sind nicht mehr genügend Mittel vorhanden. Es muss jetzt ein Umdenken stattfinden, um die Haushaltsstabilität künftig zu gewährleisten!“ Hinzu kommt, dass Frankfurt Ende 2020 auch den höchsten absoluten Bestand an Kassenkrediten mit 297,5 Millionen Euro (389 Euro je Einwohner) auswies. Insgesamt sind die Geldschulden in Frankfurt gegenüber 2019 um 23 Prozent auf über 2,4 Milliarden Euro angestiegen.
Wallmann betont: „Wir raten schon seit Jahren, wirtschaftlich gute Zeiten zu nutzen, um für „schlechtere Zeiten“ Vorsorge zu treffen. Auch wenn Frankfurt als wachsende Metropole vor besonderen Herausforderungen steht, sollte die Stadt in Jahren mit Einnahmerekorden nicht automatisch auch Ausgaberekorde produzieren. Der künftige Handlungsspielraum der Stadt ist insbesondere durch die Pandemie deutlich eingeschränkt. Dies muss auch bei den anstehenden Entscheidungen, wie dem geplanten Neubau der städtischen Bühnen, berücksichtigt werden. Hier ist eine politische Prioritätensetzung notwendig.“
Kinderbetreuung in den Großstädten
Die Städte Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden haben politisch entschieden, dass sie in den Kindergärten weniger Kinder je Gruppe betreuen als dies der gesetzliche Standard vorsieht. Hieraus resultierten insgesamt Mehrkosten von 16 Millionen Euro, allein in Frankfurt waren es 13,5 Millionen Euro. Würden die Kommunen 25 statt 20 (Frankfurt, Wiesbaden) bzw. 22 (Darmstadt) Kinder je Gruppe betreuen, dann könnten in Frankfurt 8.500, in Wiesbaden 2.500 und in Darmstadt 800 Kinder mehr betreut werden, ohne zusätzliche Stellen oder zusätzliche Räume bereitzustellen. Dies ist insbesondere auch mit Blick auf Verdichtungsdruck und Personalengpass im Ballungsraum von höchster Relevanz.
Daneben verzichtete Frankfurt auf 25,5 Millionen Euro, weil für die Betreuung von Kindern zwischen drei und sechs Jahren keine Elternbeiträge erhoben wurden. Auffällig war zudem, dass Frankfurt die freien Träger von Kindertageseinrichtungen mit erhöhten Pauschalen je Kind bezuschusste. Die Zuschüsse lagen mit 10.500 Euro je Jahr und Kind rund doppelt so hoch wie in Kassel (5.200 Euro) oder Offenbach (5.800 Euro). Die hieraus resultierenden Einsparmöglichkeiten beliefen sich für Frankfurt auf rund 55 Millionen Euro. Wallmann betont: „Kinderbetreuung ist eine der wichtigsten kommunalen Leistungen und natürlich kann sie nicht nur in Euro und Cent bemessen werden. Aber die Städte müssen sich die Frage stellen, welche Standards sie sich auf Dauer leisten können und wollen. Vor allem, wenn Kitaplätze Mangelware sind, sollten bestehende Möglichkeiten zur Kinderbetreuung ausgeschöpft werden.“
Öffentliches Geld braucht öffentliche Kontrolle
Die Verwendung der öffentlichen Steuergelder bedarf immer auch einer unabhängigen Kontrolle. Die folgenden Beispiele zeigen, dass dies nicht in jedem Fall gewährleistet war und wie sich dies auswirkte.
Beteiligung an der Helios HSK
Das heute unter dem Namen HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden GmbH (Helios HSK) bekannte Krankenhaus befand sich früher vollständig in städtischem Eigentum. Im Rahmen einer Teilprivatisierung im Jahr 2012 wurden 49 Prozent der Unternehmensanteile an den Konzern Rhön-Klinikum AG veräußert. Problematisch dabei war jedoch, dass trotz einer Mehrheitsbeteiligung von 51 Prozent der Anteile lediglich 48,1 Prozent der Stimmrechte für die Stadt vereinbart wurden. Demgegenüber hielt die Rhön-Klinikum AG 51,9 Prozent der Stimmrechte bei 49 Prozent der Anteile. 2014 verkaufte dieser Konzern seine Anteile – mit der gleichen Verteilung der Stimmrechte – an die HELIOS Kliniken GmbH weiter.
Neben der Abgabe der Mehrheitsstimmrechte besteht als weiteres Problem, dass weder gegenüber der Rechnungsprüfungsbehörde der Stadt noch gegenüber der Überörtlichen Prüfung Unterrichtungsrechte eingeräumt sind. Auf diesen Sachverhalt wies die Überörtliche Prüfung bereits im Dezember 2012 die Stadt und im April 2013 den Hessischen Landtag hin. Im Juli 2014 wurde daraufhin die Vorschrift in der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) verschärft. Seitdem ist in § 123 HGO nicht nur das Hinwirken, sondern die Sicherstellung der Unterrichtungsrechte für alle Kommunen verpflichtend geregelt. Dies wurde im Fall des Gesellschaftsvertrags vom September 2014 zwischen der Stadt Wiesbaden und der Helios Kliniken GmbH jedoch missachtet.
Wallmann warnt: „Vor dem Hintergrund des erheblichen finanziellen Risikos für die Stadt durch die Beteiligung an der Helios HSK ist die Gewährleistung einer lückenlosen Finanzkontrolle von großer Bedeutung. Wiesbaden hat durch den Gesellschaftsvertrag zum einen das Mehrheitsstimmrecht abgegeben und zum anderen die gesetzlich vorgeschriebenen Unterrichtungsrechte umgangen, obwohl die Stadt diese hätte sicherstellen müssen. Dies entspricht nicht der Hessischen Gemeindeordnung. Die Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften kann damit an dieser Stelle ihrer wichtigen Überwachungs- und Kontrollfunktion nicht nachkommen.“
Zuwendungen an die AWO
Auch die Vorkommnisse bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Frankfurt verdeutlichen die hohe Bedeutung von Prüfungsrechten für öffentliche Stellen. Die AWO erhielt Zuwendungen von der Stabsstelle Flüchtlingsmanagement in Frankfurt für das Betreiben von drei Flüchtlingsheimen. Auf Veranlassung der damaligen Sozialdezernentin führte das Frankfurter Revisionsamt bezüglich der Verwendung dieser Zuwendungen eine Sonderprüfung durch. In den 2018 präsentierten Ergebnissen wurde festgestellt, dass es zu unangemessenen Rechtsberatungskosten beziehungsweise nicht nachvollziehbaren Aufwendungen kam. Da jedoch die Betreiberverträge für die Flüchtlingsunterkünfte keine weitergehenden Prüfrechte für die Stadt vorsahen, konnte das Revisionsamt die benötigten Unterlagen nicht prüfen. Die Überörtliche Prüfung hatte ebenfalls keine Prüfungsrechte in Bezug auf die Betreiberverträge. Damit konnte die Verwendung der gewährten Zuwendungen nicht ordnungsgemäß nachvollzogen werden. Das Revisionsamt Frankfurt empfahl die Einstellung der Zusammenarbeit mit der AWO auf diesem Gebiet.
Auch in Wiesbaden kam es zu Konflikten im Rahmen der Zuwendungsgewährung an die AWO. Im Gegensatz zu Frankfurt hatte in Wiesbaden zum Zeitpunkt unserer Prüfung noch keine Sonderprüfung durch das städtische Revisionsamt hinsichtlich der Zuwendungen an die AWO stattgefunden. Die Prüfung befand sich noch in der Planungsphase und beschränkte sich lediglich auf eine Risikoanalyse.
Wallmann fasst zusammen: „Sowohl die Situation der Helios HSK als auch die Fälle der AWO in Frankfurt und Wiesbaden verdeutlichen, wie wichtig Prüfrechte sowohl für örtliche als auch überörtliche Prüfungseinrichtungen sind. Unsere Stichproben zeigten aber, dass beispielsweise in Frankfurt das Revisionsamt nur bei rund zwei Dritteln und die Überörtliche Prüfung bei weniger als der Hälfte der Zuwendungsempfänger überhaupt prüfen darf. In Wiesbaden hatten wir bei keinem der Zuwendungsempfänger unserer Stichprobe Prüfungsrechte. In der Folge entstehen prüfungsfreie Räume und damit grundsätzlich höhere Risiken für Ineffizienz und Korruption.“
Digitalisierung
Die digitale Verfügbarkeit von Verwaltungsleistungen, z. B. die Beantragung von Meldebescheinigungen, Urkunden, Parkausweisen etc., die nach dem Onlinezugangsgesetz (OZG) Ende 2022 online angeboten werden müssen, war in den einzelnen Großstädten unterschiedlich stark ausgeprägt. So setzte Darmstadt als „Digitalstadt“ den Fokus auf die Digitalisierung im Bereich Umwelt und Energie. Eine Vorreiterrolle für die Digitalisierung insgesamt konnte die Überörtliche Prüfung allerdings in Darmstadt nicht feststellen. Dies zeigt sich am Beispiel des Meldewesens. Während Offenbach hier bereits viele Leistungen online anbot, konnte hingegen in Darmstadt nur die Terminvergabe online vorgenommen werden.
Auch am Beispiel der Zweitwohnungsteuer wurde untersucht, ob digitale Verwaltungsprozesse medienbruchfrei ablaufen. Dabei zeigten sich Medienbrüche in Darmstadt, Frankfurt, Kassel und Wiesbaden. Einzig die Stadt Offenbach ermöglichte für die Zweitwohnungsteuer eine medienbruchfreie digitale Einreichung für Bürgerinnen und Bürger.
Um die Akzeptanz und die Nutzung kommunaler Onlineportale zu erhöhen, sollten dort alle digitalisierbaren Verwaltungsleistungen enthalten sein. Dadurch ließen sich persönliche Besuche im Rathaus oder Bürgerbüro weitgehend vermeiden. Keilmann appelliert: „Die Verfügbarkeit von Verwaltungsleistungen, die nach dem OZG bis Ende 2022 online angeboten werden müssen, war in den einzelnen Kommunen bisher unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Digitalisierung der Verwaltungsleistungen verfolgt das zentrale Ziel, eine einfache und schnelle Kommunikation mit den Bürgern zu ermöglichen. Dabei kommt der Medienbruchfreiheit digitaler Prozesse eine besondere Bedeutung zu. Hier bestehen noch Hausaufgaben mit Blick auf die Umsetzung des OZG und die berechtigten Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger!“
Demografie
Viele Kommunen werden voraussichtlich überdurchschnittlich stark vom demografischen Wandel betroffen sein. Sie stehen vor der Herausforderung, ihr Leistungsspektrum vor dem Hintergrund der prognostizierten Bevölkerungsveränderung anzupassen.
Wir haben die Auswirkungen des demografischen Wandels anhand folgender Parameter untersucht: Einzelhandel, Ärztliche Versorgung, Breitbandverfügbarkeit und Personal in der Verwaltung.
Hinsichtlich des Einzelhandels haben wir festgestellt, dass grundsätzlich eine Tendenz zur Bündelung im Zentrum bestand. Bei den Haus- und Fachärzten bestand in keiner der Vergleichskommunen eine drohende Unterversorgung. Die Breitbandverfügbarkeit der von uns untersuchten Kommunen betrug im Regelfall über 90 Prozent der Haushalte. Zudem war knapp die Hälfte aller Beschäftigten in den Kommunalverwaltungen älter als 50 Jahre und wird damit in den nächsten 15 Jahren in Ruhestand treten. Hieraus ergeben sich unvermeidlich aktuelle Handlungsbedarfe (Wissenstransfer, Personalgewinnung etc.).
Wie gehen die Kommunen mit diesen Herausforderungen um?
Einzelne Kommunen haben erste Maßnahmen ergriffen, um den demografischen Wandel zu gestalten:
- Interkommunales „GesundheitsVersorgungsZentrum“ in Sontra
- Kommunales Entwicklungskonzept durch die Universität Gießen, eine Senioren-Dependance mit Begegnungsstätte und Dorfladen sowie ein Bauzuschuss für junge Familien in Limeshain
- „Zentrales Citymanagement“ zur Belebung der Innenstadt in Melsungen
Keilmann betont: „Auch, wenn die Kommunen den demografischen Wandel nicht direkt steuern können, haben sie unterschiedliche Möglichkeiten, die Auswirkungen des demografischen Wandels zu gestalten. Die von uns identifizierten Positivbeispiele verdeutlichen den Handlungsspielraum der Kommunen. Unsere Empfehlungen können damit für alle Kommunen wichtige Impulse geben. Die Verwaltungen sollten zudem geeignete Maßnahmen der Personalgewinnung ergreifen, wie zum Beispiel eine breite Bewerberansprache über mehrere Medien, eine verstärkte und gezielte Öffentlichkeitsarbeit und die Entwicklung von Alleinstellungsmerkmalen als Arbeitgeber (Arbeitgebermarke). Hier ist insbesondere auch an die Möglichkeiten der Interkommunalen Zusammenarbeit zu denken. Diese eröffnet den Wissenstransfer in und zwischen den Kommunen, schafft eine schnellere Anbindung und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger und bietet den Beschäftigten Perspektiven, weil sie so in einem größeren digitalen Verbund arbeiten können – eine Win-win-win-Situation für Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Beschäftigte.“
Fazit
Präsident Wallmann fasst zusammen: „Die Corona-Pandemie hat Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Kommunen stark beeinträchtigt. Dies führte einerseits zu deutlichen Einnahmeausfällen und Einschränkungen bei kommunalen Leistungsangeboten wie Veranstaltungen, Schwimmbädern u. a. Andererseits ergeben sich dadurch auch Chancen und Notwendigkeiten für die Kommunen, um verwaltungsinterne Zusammenarbeit und flexibles mobiles Arbeiten zu ermöglichen. Auch Online-Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger haben durch die Pandemie einen Digitalisierungsschub erhalten. Insgesamt hat sich der öffentliche Dienst in der Krise bewährt. Dies zeigt die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Die Pandemie hat aber auch verdeutlicht, wie wichtig es ist, in „guten Zeiten“ Vorsorge zu treffen und dass man nicht reflexartig jede Rekordsteuereinnahme für die Zukunft fest einplanen kann.“